Nirvana bei „MTV Unplugged“: Kurt Cobains letzte große Show
Als dieses Konzert auf MTV lief, waren es zu gleichen Teilen Bewunderung und Angst, die einem die Kehle zusammenschnürten. Als dann das Album dazu veröffentlicht wurde, war Kurt Cobain schon tot.
Wer genau hinhörte damals, mag nicht so überrascht gewesen sein. Seine Stimme verriet so erschreckend eindeutig, was er in Interviews stets verneinte – dass er ein Junkie war. Das Weinerliche, Raue – es ließ „About A Girl“ und „Polly“ und „Something In The Way“ noch zerbrechlicher wirken, von den herzzerreißenden Cover-Versionen ganz zu schweigen.
Selbst wenn er, bei „Dumb“ etwa, gleichgültig klingen wollte, musste man weinen. Ach ja, die Band. Spielte schön im Hintergrund. So wichtig Novoselic und Grohl für Cobain waren (auch wenn Courtney Love das nicht wahrhaben möchte), an diesem Abend waren sie nur Statisten. Es war Cobains Show – rührend, ironisch, traurig. Mit letzter Kraft, mit so viel Kraft. The man who owned the world.
Kurt Cobain als Traditionalist
Hier hört man zum letzten Mal, was Cobain konnte und wollte. Unabweisbar artikuliert sich ein frühvollendeter Songschreiber, der sich alles einverleibt und mit strengem Stilwillen wieder ausgestoßen hat. Die Auswahl von Bowies „The Man Who Sold The World“, Leadbellys „Where Did You Sleep Tonight“ und „Lake Of Fire“ von den Meat Puppets ist natürlich programmatisch und begrenzt Cobains Referenz-System. Über lange Passagen klingt die Band nicht wie Nirvana, wie wir sie von MTV kennen. Ausgerechnet auf MTV.
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Das Konzert weist Kurt Cobain als Historiker und Traditionalisten aus, der sich nur noch mit „Come As You Are“, „On A Plain“ und „Polly“ auf die unfassliche Wende seiner eigenen Geschichte bezieht. „All Apologies“, der letzte Song von „In Utero“, steht auch hier am Ende. „What eise should I say?“
(AW)
Ein Artikel aus dem RS-Archiv