Nik West im Interview: Wie man auf Pedalen tanzt
Mit „Moody“ veröffentlicht die Bassistin und Sängerin Nik West ihr neues Album. Wir sprachen mit ihr über Idole und Improvisationen.
Mit „Moody“ hat die Multi-Instrumentalistin Nik West ihr neues Album veröffentlicht. ROLLING STONE sprach mit der 30-jährigen Funk-Musikerin über Einflüsse, dem Reiz der Bass-Gitarre und dem veränderten Stellenwert von Frauen im Geschäft.
„Moody“ vermengt viele Stile: R&B, Funk, Swing, Jazz. Wie würden Sie selbst ihr Album beschreiben?
Ja, das Album ist wie ein Gemischtwarenladen, so sind wir auf den Titel „Moody“ gekommen. Müsste ich mir ein Genre überlegen, mir würden gleich mehrere einfallen. Ich würde von Funk sprechen und Rock mit einigen Pop-Übertönen.
Sie arbeiteten diesmal mit Cindy Blackman-Santana und Larissa Basillo zusammen. Wie entstanden die Kooperationen?
Ich habe Cindy schon immer bewundert, schon aus der Zeit, als sie für Lenny Kravitz Schlagzeug spielte. Als Kind schaute ich mir bereits ihre Videos an. Sie strahlt eine Lässigkeit aus, die ich einfach liebe. Also fragten wir für „We Can Do It“ bei ihr an – und sie wollte mitmachen! Wir gingen ins Studio und nahmen das Stück in nur einem Take auf! Ich hatte den Raum für mehrere Stunden gemietet, und sie benötigte gerade mal zehn Minuten. Haha! Sie ist ein echter Profi. Und nun auch eine Freundin fürs Leben.
Larissa traf ich beim „Malibu Guitar Festival“ vor ein paar Jahren. Wir traten beide auf, und sie lieferte genial ab. Von da an wusste ich einfach, dass ich sie gerne in einem Song dabei hätte. Sie ist eine Virtuosin, jeder weiß das. Mit Larissa und Cindy zusammenzuarbeiten, hat mich persönlich einen großen Schritt weitergebracht.
Auch Larry Graham, der einstige Bassist von Sly & The Family Stone, spielt auf „Moody“ mit. Wie verteilten Sie die Arbeit auf „Thumpahlenah“, was haben Sie von ihm gelernt?
Er ist mein Bass-Held! Prince hatte uns verschiedentlich versucht zusammenzuführen, wann immer ich in Minneapolis war, aber wir hatten uns immer wieder verpasst. Erst nach Prince‘ Tod stießen wir zueinander. Es kommt nur sehr selten vor, dass Larry Graham eine musikalische Kooperation eingeht. Sie können sich also vorstellen, wie überrascht ich war, als er anrief. Ich bin darüber noch immer nicht hinweggekommen. Er hat eine wunderschöne Seele. Ich ging also ins Studio und war extrem nervös – ich trug mein weitestes Shirt, denn ich musste mich einfach entspannen. Nichts sollte mich einengen beim Bass-Spiel. Aber seine Ehefrau und er bereiteten mir ein gutes Gefühl, als hätten wir uns schon seit Ewigkeiten gekannt. Ich habe so viel von Larry gelernt. Zum Beispiel, wie man „auf den Pedalen tanzt“, also im Grunde, wie man einen ganzen Track fertigstellt, indem man auf den Pedalen auf und ab springt, wann immer es nötig wird. Er sagte: „Mache Dich am besten jetzt schon damit vertraut, dann musst Du es nicht mehr, wenn Du es live spielst“ … und so kam es dann auch. Auf dem Lied spielen wir beide Bass, und er singt im Background. Larry schrieb die Refrains, meine Schwester und ich die Verse. Larry übernahm den Groove, ich spielte darüber, und verantwortete auch das Solo. Es war ein magisches Erlebnis!
Songs wie „Amen (A Man)“ and „Funk 4 The People“ stellen Musik als eine Art Gabe Gottes dar, um die Welt zu einem schöneren Ort zu machen. Wie hat Musik Ihr Leben verändert?
Ha! Yeah, ich kann Ihre Frage nachvollziehen, „Funk 4 The People“ ist meine Version von Bruno Mars’ „Uptown Funk“. Es ging darum, für uns Girls eine Art Funk-Hymne zu kreieren. „Amen (A Man)“ dreht sich weniger um Religion als auch eine Frau, die sich nach einem Mann sehnt, den sie in der Fantasie entworfen hat. Ich schrieb die Lieder mit dem Produzenten Narada Michael Walden, der mit Whitney Houston, Mariah Carey, Carlos Santana und vielen anderen arbeitete. Musik hat mein Leben einfach verbessert, weil ich niemals dachte, dass ich das überhaupt tun könnte. Es kam mir so vor, als hätte ich erst sehr spät damit angefangen. Als Kind war ich noch nicht dabei, als übte ich später umso mehr. Ich wünschte mir auch, damit Geld zu verdienen. Übung am Instrument, der Fokus darauf verlieh mir Disziplin. Und diese Disziplin nutze ich nun auch für Sachen in meinem Leben, die gar nichts mit Musik zu tun haben.
Sie beherrschen viele Instrumente, aber der Bass wurde zu Ihrem Signatur-Instrument.
Der Bass spricht zu meinem ganzen Körper. The groove is what makes the booty move! Zu Beginn meiner Karriere versuchten einige Plattenfirmen mich zu überreden, zur Gitarre zu wechseln, sie meinten, das passe besser zu den Erfordernissen der Musikindustrie. Sie glauben nicht daran, dass eine Person ganz vorne auf der Bühne mit Bass erfolgreich sein könnte. Aber schauen Sie nur auf Sting, Paul McCartney, Esperanza Spalding … und Nik West! (lacht). Bei dieser Entscheidung musste ich mir einfach treu bleiben.
Wie seht ihr Leben während der Corona-Krise aus. Machen Sie Musik zu Hause?
Meine Arbeitsroutine hat sich tatsächlich nicht all zu sehr verändert. Meine Tournee war für den Juli angesetzt. Und wenn ich nicht auf Tour bin, schreibe ich zu Hause Musik, für mich oder Firmen, die Samples für Musiker anbieten. Und manchmal nehme ich Videos von mir auf, in denen ich beim Spielen zu sehen bin oder Songs interpretiere, die ich liebe. Außerdem arbeite ich an einer Serie von Bass-Lehrvideos – viele meiner Fans wollen das Instrument so spielen wie ich, was mich ehrt, denn ich weiß ja auch nicht alles! Im Grunde verlasse ich das Haus gar nicht, es sei denn, ich möchte ins Kino. Ich bin gerne in meinen eigenen vier Wänden, und ich liebe Arbeit. Es hat sich also für mich nicht viel verändert. Anstelle der Kinobesuche schaue ich abends nun auf Netflix nach Dingen, die mich inspirieren.
„No one wants to get #MeToo’ed“
Glauben Sie, dass es heute einfacher ist oder schwerer, sich als Frau in der Musikindustrie zu behaupten?
Ich denke, heutzutage denken Männer zweimal darüber nach, wie sie sich verhalten – vor allem gegenüber einer Frau verhalten. No one wants to get #MeToo’ed. Für mich ist es noch klarer geworden, dass sowohl Männer als auch Frauen sich korrekt verhalten sollten, so dass Verwirrung gar nicht erst entsteht, keine Toleranz mehr da ist für Unangemessenheit. In der Musik haben Frauen so viel anzubieten. Es ist sehr inspirierend, wenn wir gefördert werden – aber aufgrund unserer Talente, nicht aufgrund eines „Sex-Faktors“.
Haben Sie als Bassistin jemals Kommentare hören müssen, wie: „nicht schlecht für eine Frau“?
Oh ja! Ich bekomme viele wundervolle Kommentare, aber auch einige schräge, wie die die simplen „YOU SUCK”-Einwürfe. Aber das hat mich nie gestört. Die meiste Zeit lachen wir darüber. Ich war schon immer ein dickhäutiges Mädchen, aber ich gebe mir auch die Gelegenheit mich zu verbessern und konstruktive Kritik anzuhören. Das hat mir am meisten geholfen. Einige der kritischen Beiträge spornen mich an, am nächsten Tag noch besser zu werden.
In Ihren Facebook-Videos spielen Sie Bass. Was war das schönste Kompliment, das Ihnen jemand dort gemacht hat?
Das ist schwer zu beantworten. Es gibt dort so viele tolle, aber ich erinnere mich an jemanden, der so etwas schrieb wie: „Die Art, wie Du den Bass dominierst und dann so sanft darüber singst – das ist das Beste, was ich jemals gesehen habe.“ Ich habe mir deshalb den Clip sogar nochmal angeschaut um zu verstehen, was er gemeint hat … und ich musste laut auflachen. Denn es sieht wirklich so aus, als füge ich dem Bass Schmerzen zu, um danach diese Schmerzen wegzusingen. Ich bin halt mit Leidenschaft bei der Sache (lacht). Das Lustigste überhaupt. Bei dem Song handelte es sich um eine Coverversion von „Just Friends“ von Musiq Soulchild.
Sie haben mit Prince zusammengearbeitet. Welche Erfahrung war die prägendste?
Ich habe viel von Prince gelernt. Aber diejenige Erfahrung, die ich mir täglich wiederhole ist die, ich selbst zu bleiben. „Versuche nie zu singen oder zu performen, wie andere es tun. Du bist extrem einzigartig. Bleibe Du selbst und alles, was Du willst, geschieht dann von allein. Er war sehr bescheiden und stand stets zur Verfügung, um Dir etwas fürs Leben mitzugeben. Vermisse ihn noch immer.
Sie eröffneten im November 2019 die International Music Awards (IMA), gemeinsam mit Billy Porter und Queen Esther Marrow. Was zeichnet eine gelungene Live-Performance aus – und wie häufig kommt es wirklich vor, dass dabei Improvisationen möglich sind?
Ich liebte den Auftritt! Ich stand da mit sehr talentierten Menschen auf der Bühne. Eine großartige Live-Performance erzielt man, natürlich, durch ein großartiges Spiel. Aber das Wichtigste bleibt: das Gefühl. Darin kann man nicht unterrichtet werden. Wer dem Publikum das richtige Feeling zu verleihen vermag, der bekommt das auch zurück – und man spielt noch besser. Bei meinen Konzerten improvisiere ich viel. Wir haben zwar eine grundlegende Struktur im Set, aber es bleibt viel Raum um Neues auszuprobieren. Weil mir das gefällt. Und wenn ich es fühle, fühlt das Publikum es auch.