Niemcyzks Doppelsechs: Aus 40 Metern in den Winkel
Über Fußball redet ja in Tagen wie diesen niemand mehr. Stattdessen geht selbst bei der Top-Paarung des 13. Spieltages, FC Ingolstadt gegen Darmstadt 98, die Angst vor Terror um. „Wie sicher bin ich noch im Stadion und beim Public Viewing?“, fragen die Kollegen von „Sport Bild“ auf der Titelseite. Angst essen nicht nur Seele auf, sondern auch die gemütliche Stadionwurst und die Halbe zum Nachspülen. Die Gefährder sind unter uns. Ultras und Hooligans dagegen werden plötzlich zur Nebensache, zurück gestutzt auf ihre Räuber-und-Gendarm-Rituale mit der behelmten Bereitschaftspolizei.
Nun erst mal tiiieeef durchatmen: Voran gegangen war ja der ganze Affentanz um die betonköpfige, alte Funktionärsgarde bei der FIFA. Dann die Demontage des DFB und vor allem des KAISERS, der Angst haben könnte, demnächst wohl die Zelle neben seinem Rothosen-Mate Uli beziehen zu müssen, wenn dieser längst wieder – auf Bewährung – das Jugendmanagement an der Säbener Straße übernommen hat. Diese Zeiten sind komplett überdreht. Spätkapitalistische Irrungen und Wirrungen.
Da ist es doch irre erholsam, wenn die gleichen SpoBi-Kollegen, die vorne noch mit schrillen Alarm-Bildern aus dem Stade de France aufwarten, hinten in der „Achten Sie drauf“-Kolumne von Jörg Hobusch diagnostizieren: „Weitschuss-Tore sterben aus“.
WOW! Stimmt eigentlich, beim heutigen taktisch hochwertigen Hochgeschwindigkeits-Fußball hält kaum noch jemand aus grob geschätzt 40 Entfernungsmetern rechts oben in den Winkel. Tore des Monats entstehen heute stattdessen aus Barcelona-haften Spielzügen, in der die letzte Station – nach zwölf scharf gespielten Kurzpässen – das Bällchen nur noch über den bereits Schach matt gekickten Goalie lupfen muss. BvB-Trickser Marco Reus kann so etwas.
Lediglich 26 außerhalb des Strafraums erzielte Fern-Tore bedeuten Minus-Rekord seit der erstmaligen Erfassung der Weitschüsse mit Trefferfolge im Jahr 1993. Da erinnert man sich fast wehmütig an Weißbier-Afficionado Mario Basler, der immerhin 31 mal aus der Ferne „einnetzte“. Was in der guten, alten Zeit (mit seinem oft genug Kick-and-Rush-haften Spielsystem) oftmals pure Verzweiflungstaten waren, also einfach mit der Pike „druff halten“, wird heute von modernen Systemtrainern mit sofortiger Auswechslung bestraft.
Da erinert man sich doch gerne an den heutige VW-Wolfsburg-Manager Klaus Allofs, der 1986 für den 1. FC Köln gegen Bayer Leverkusen aus ziemlich genau 70 Metern traf. Eher peinlich für den FC war das „Gurken-Tor“ von Alex Alves, der in einem Match des Jahres 2000 aus dem Anstoss-Kreis heraus (rund 52 Meter) für die Hertha aus Berlin einen späteren 4-zu-2-Sieg ermöglichte. Vielleicht ist das ja ein Mittel für den HSV gegen die, äh, bärenstarken Dortmunder die heute Abend den Spieltag eröffnen. Die positive Botschaft ist: Er findet statt.
Darauf eine Stadionwurst!