Nick Cave: Charlie Watts hatte ein animalisches, überlegenes Lächeln
„Und er lächelte mich an – kein unfreundliches Lächeln, aber auch kein freundliches, eher der teilnahmslose Blick, den ein Tier einem anderen in der Wildnis zuwerfen konnte, um seine vollständige Überlegenheit zu signalisieren.“ Nick Cave erzählt von seinem flüchtigen Treffen mit Charlie Watts.
Nick Cave berichtet auf seiner eigenen Webseite „The Red Hand Files“ von einem kurzen, aber prägenden Treffen mit dem Stones-Drummer Charlie Watts. Der Bad-Seeds-Frontmann beantwortet auf seiner Website manchmal Fragen seiner Anhänger – so auch die in Zusammenhang mit dem kürzlich verstorbenen Watts.
Im letzten Blogeintrag erzählt Cave davon, wie er Charlie Watts das letzte Mal am Flughafen London/Heathrow traf. Oder zufällig an ihm vorbeilief, denn aus mehr als einem flüchtigen Blickwechsel hatte die Begegnung nicht bestanden.
„Lieber Kevin, Liebe Ray, Sarah und Barbara, vor etwa zehn Jahren dachte ich mir, dass es vielleicht eine gute Idee sein könnte, mich für die bevorstehende Tour etwas in Form zu bringen. Darum buchte ich einige Trainings-Sessions in einem Fitnessstudio in Brighton.“ Weil Cave nach eigenen Angaben vorher nie ein Fitnessstudio von innen gesehen hatte, bestellte er sich einen Trainingsanzug im Internet. Leider sei der viel zu klein gewesen, „Kindergröße“.
„In meinem winzigen Trainingsanzug, meinen riesigen weißen Joggingschuhen und meinem Bucket-Hat“
Er zog sich dazu noch ein paar weiße, etwas zu große Turnschuhe an und ging los. Er selbst sagt, er habe dabei völlig bescheuert ausgesehen und hält es wohl für einen wichtigen Punkt, dies zu erwähnen. Es könnte aber tatsächlich noch als Detail dieser Geschichte dienen.
Nach einigen der „anstrengendsten Stunden seines Leben“, machte Cave sich auf den Weg zum Flughafen Heathrow in London, um dort jemanden abzuholen. „Als ich am Flughafen ankam, musste ich pissen, also legte ich bei den Toiletten einen Stopp ein und als ich wieder heraustrat, in meinem winzigen Trainingsanzug, meinen riesigen weißen Joggingschuhen und meinem Bucket-Hat, lief dort Charlie Watts von den Rolling Stones an mir vorbei.“
Er erzählt wie elegant der Stones-Drummer Watts an ihm vorbeizog, im dreiteiligen Anzug und mit Krawatte, „er strahlte buchstäblich vor innerer Gelassenheit“. Kurz trafen sich die Blicke. „Und er lächelte mich an – kein unfreundliches Lächeln, aber auch kein freundliches, eher der teilnahmslose Blick, den ein Tier einem anderen in der Wildnis zuwarf, um seine vollständige Überlegenheit zu signalisieren.“
Nick Cave erklärt weiter: „Als ich zusah, wie Charlie Watts in der Menge verschwand, richtete ich meinen Fischerhut zurecht und dachte: ‚Da geht ein wirklich großartiger Schlagzeuger‘, was genau jener Gedanke war, als ich diese Woche von seinem Tod erfuhr – ‚Da geht ein wirklich großartiger Schlagzeuger.‘“
Watts starb am 24. August im Alter von 80 Jahren im engen Kreis seiner Familie. Seine Bandkollegen werden die diesjährige US-Tour trotzdem fortsetzen – Steve Jordan wird für die Besetzung des Schlagzeugs einspringen.
Was Nick Cave angeht: Er und die Bad Seeds bereiten sich gerade darauf vor, diesen Oktober eine B-Sites & Rarities-Compilation zu veröffentlichen. Darüber hinaus arbeite der Musiker und Autor Berichten zufolge auch an einem Soundtrack zu einem bevorstehenden Biopic über Marilyn Monroe.