Nicht von dieser Welt
IN DEN TRÄUMEN VON COCO-Rosie gibt es keine Nuklearbomben und Genderdiskussionen. In ihrer Welt treffen sie auf Elfen, Feen, Einhörner und leben aus, was Feministinnen von Simone de Beauvoir bis Judith Butler fordern: die Auflösung zugeschriebener Geschlechterrollen. Weil die Realität aber stark davon abweicht, ist es nicht verwunderlich, dass die „New Weird America“-Bewegung Attribute wie „naiv“,“spirituell“ und „andersartig“ zu Imperativen erhob – und dass Devendra Banhart, Antony Hegarty und CocoRosie Begriffe wie „Freak Folk“ rigoros ablehnen. Sie malen sich lieber Bärte ins Gesicht.
Die Schwestern Bianca und Sierra Casady haben keine Lust auf Diskurse – aber sind natürlich stolz auf ihr zehnjähriges Bestehen als Coco-Rosie. Dass Devendra Banhart mit seiner Compilation „The Golden Apples Of The Sun“ 2004 einen wichtigen Beitrag dazu leistete, dass Künstlerinnen wie Joanna Newsom und CocoRosie überhaupt wahrgenommen wurden – davon möchten die Casady-Schwestern nichts wissen. Denn auch über die Vergangenheit mögen sie nicht reden. Erst ein zitiertes Lob der Freak-Folk-Urmutter Vashti Bunyan macht die Schwestern munter. Die neue Folk-Generation habe ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, sei viel progressiver, hatte Bunyan gesagt. „Freundschaften sind sehr wichtig für uns. Einige dieser Künstler greifen stark in unseren kreativen Prozess ein. Insbesondere Antony, der auch auf unserem neuen Album wieder zu hören ist, war in diesen Jahren immer wie eine Mutter für uns, eine geerdete Orientierungshilfe“, erklärt Sierra Casady.
Natürlich denken zwei so naturverbundene Schwestern ökologisch und setzen auf ihrem fünften Album „Tales Of A Grass-Widow“ Umweltdebatten in Bezug zu vernachlässigten Kindern und Frauen: „Wir denken viel darüber nach, wie die Menschen mit Mutter Erde umgehen und entdecken viele Gemeinsamkeiten, wenn wir uns anschauen, wie Frauen und Kinder behandelt werden. Das sind die schmerzlichsten Erfahrungen für uns.“ Bianca Cassidy isoliert sich von den Medien, damit sie ungestört in Kontakt zu ihren Song-Charakteren treten kann. „Das klingt dumm und kitschig, aber wenn ich spazieren gehe, erreiche ich diesen depressiven Zustand, der mich beflügelt. Einsamkeit ist eine kreative Quelle für mich.“ Sierra nickt: „Dann entdeckst du, dass die Figuren unserer Songs da sind. In uns, in dir und der Welt. Sie verleihen uns Flügel und erwarten, dass wir dasselbe mit ihnen tun.“
Unser „Entweder/oder“-Spiel stellt CocoRosie vor manche Herausforderung.
New York oder Paris?
S: New York
B: Paris
Lennon oder McCartney?
S: Hmm Ich denke, ich bin eher für McCartney.
B: Ich definitiv für Yoko.
Papst oder Dalai Lama?
S: Hmm Dalai Lama?
B: Ganz klar: weder noch!
A-Moll oder D-Dur?
S: D-Dur!
B: A-Moll!
Melodie oder Beat?
Beide: Melodie.
Vinyl oder Tape?
Beide: Tape.
Harlem Shake oder Gangnam Style? S:
Was soll das sein?
B: So populäre Internet-Tänze, die zum Massenphänomen werden.
S: Damit kann ich nun wirklich gar nichts anfangen.
B: Ich bin für den Roger Rabbit, einen Tanz der frühen 90er-Jahre. Das war der erste populäre Tanz, den wir gelernt haben. Aber ob ich den noch tanzen könnte, wüsste ich jetzt nicht.
S: Mir sagt auch der gar nichts.
Beth Ditto oder Courtney Love?
B: Wer ist die Erste? Ah, na gut – dann nehm ich wohl die.
S: Ich bezweifle, dass die beiden was mit Feminismus am Hut haben. Dennoch: Courtney Love.
1967 oder jetzt?
Beide: Definitiv jetzt!