Nicht nur für Elvis der Größte: Leben und Tod von Roy Orbison
Große Stimme, bewegtes Leben und riesengroßer Einfluss: Ein Blick auf Leben und von Roy Orbison

Elvis bezeichnete ihn als den größten Sänger überhaupt – kein geringes Lob vom King of Rock ’n’ Roll höchstpersönlich. George Harrison bezeichnete ihn als „Marmor“. Roy Orbison war eine der großen Stimmen; viele Legenden wie Bob Dylan, Tom Petty und Jeff Lynne blickten zu ihm auf. Orbison selbst sah sich vor allem als Songwriter – wir werfen einen Blick auf Leben und Tod des großen Sängers.
Roy Orbison: Kindheit und Jugend
Roy Kelton Orbison wurde am 23. April 1936 in Vernon, Texas, geboren. Seine Eltern, Orbie Lee Orbison, ein Bohrarbeiter in der Ölindustrie, und Nadine Orbison, eine Krankenschwester, erkannten früh sein musikalisches Talent. Zu seinem sechsten Geburtstag bekam er eine Gitarre geschenkt. Orbison lernte das Spielen von seinem Vater und seinem älteren Bruder.

Im Jahr 1946 zog die Familie nach Wink, Texas. In der texanischen Kleinstadt gründete er während seiner Highschool-Zeit seine erste Band: The Wink Westerners. Orbison sog alle Musik auf, die er im Radio hörte. Lefty Frizzell, Hank Williams, Bob Wills, Moon Mullican und Jimmie Rodgers waren für ihn prägend; besonders Frizzells Gesangsstil beeindruckte ihn. Der Name Lefty sollte später bei ihm selbst nochmals auftauchen: In der Supergroup The Traveling Wilburys war er Lefty Wilbury.
Orbison hörte Rhythm & Blues, Western Swing, Tex-Mex, Cajun-Musik und Orchestermusik. Seinen ersten Auftritt hatte er mit neun Jahren in einer lokalen Radiosendung. Später übernahm er die Moderation der Sendung. Mit neun Jahren gewann er zudem einen Gesangswettbewerb beim Radiosender KVWC, woraufhin er eine eigene wöchentliche Radiosendung erhielt.
Im Frühjahr 1955 brach Roy Orbison sein Studium ab und gründete nach der Auflösung der Wink Westerners die Teen Kings. Während eines Auftritts lernte er seine spätere Frau Claudette Frady kennen. 1956 nahmen die Teen Kings „Ooby Dooby“ auf, das zunächst bei Je-Wel Records erschien. Orbison wollte zu einem größeren Label wechseln und löste sich aus dem Vertrag. Ein Demo für Columbia Records wurde abgelehnt, doch schließlich nahm Sun Records den Song auf. Ob Johnny Cash Orbison dazu riet, sich bei Sun zu melden, ist umstritten; laut anderen Berichten vermittelte ein Plattenladenbesitzer den Kontakt.
Musikalische Erfolge
Ende der 1950er-Jahre nahm Orbisons Karriere Fahrt auf. Nach einer kurzen Zeit bei Sun Records, die nicht von Erfolg gekrönt war, unterschrieb er 1959 bei Monument Records. Dort folgten bald große Hits. Orbison feierte mit „Only the Lonely“ (1960), „Crying“ (1961) und „Oh, Pretty Woman“ (1964) große Erfolge. Alles war erinnerungswürdig: die Songs, die Stimme, die Performance, das Auftreten und natürlich die (gefärbten, da Orbisons Haare früh weiß wurden) schwarzen Haare.
Private Tragödien und Karriereflaute
Die 1960er-Jahre waren geprägt von großen Erfolgen, aber auch schweren Schicksalsschlägen. 1966 kam seine erste Ehefrau Claudette bei einem Motorradunfall ums Leben. Zwei Jahre später brannte Orbisons Haus nieder – zwei seiner Söhne überlebten den Brand nicht.
Die 1970er-Jahre brachten eine Karriereflaute. Orbison galt als nicht mehr zeitgemäß, verbiegen wollte er sich jedoch keinesfalls. „Ein Songwriter zu sein bedeutet, dass die Lieder tief aus einem herauskommen, und man muss sie mit Respekt behandeln. Ich könnte mich selbst nicht betrügen“, sagte er einmal im US-amerikanischen ROLLING STONE.
The Traveling Wilburys
In den 1980er-Jahren ging es wieder aufwärts. 1987 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Bob Dylan würdigte ihn in seiner Laudatio als einen der einzigartigsten Künstler seiner Zeit. Im selben Jahr formierte sich eine der größten Supergroups aller Zeiten: Gemeinsam mit George Harrison, Bob Dylan, Tom Petty und Jeff Lynne gründete Orbison die Traveling Wilburys.
Die Band entstand fast zufällig, als Harrison für eine B-Seite einen Song aufnehmen wollte. Die beteiligten Musiker verstanden sich so gut, dass sie kurzerhand beschlossen, ein ganzes Album zu machen. Das Debütalbum „Traveling Wilburys Vol. 1“ erschien 1988 und wurde ein großer Erfolg, mit Hits wie „Handle with Care“. Besonders für Orbison war es eine triumphale Rückkehr, die ihn einem neuen Publikum vorstellte. Seine markante Stimme verlieh den Songs eine besondere Tiefe und Emotionalität. Doch während sich seine Karriere erneut auf dem Höhepunkt befand, blieb ihm nicht mehr viel Zeit.
Roy Orbisons Tod
Parallel zu den Wilburys arbeitete Orbison intensiv an seinem Solo-Comeback. Sein Album „Mystery Girl“ war nahezu fertiggestellt, als er am 6. Dezember 1988 verstarb. Das Album wurde im Februar 1989 posthum veröffentlicht.
Die Wilburys machten ohne Orbison weiter. „Traveling Wilburys Vol. 3“ (ironischerweise als zweites Album betitelt) erschien 1990. Doch ohne seine unverwechselbare Stimme fehlte etwas Entscheidendes. Im Musikvideo zu „End of the Line“ findet sich ein bewegendes Tribut: Während die anderen Mitglieder des Wilburys-Kollektivs singen, steht ein leerer Schaukelstuhl auf der Bühne – ein stiller, aber kraftvoller Abschied von einem der größten Sänger aller Zeiten.
Bob Dylan über Roy Orbison
Bob Dylan schrieb in seinen Memoiren über Roy Orbison: „Ich war immer auf der Suche nach etwas im Radio. Roy Orbisons Stimme dröhnte aus den Lautsprechern. Sein neuer Song, ‚Running Scared‘, explodierte im Raum. Orbison überschritt alle Genregrenzen – Folk, Country, Rock ’n’ Roll oder mehr. Er konnte gemein und schroff klingen und im nächsten Moment in einem Falsett singen wie Frankie Valli. Bei ihm wusste man nie, ob man Mariachi oder Oper hörte. Seine Musik war Fleisch und Blut, er klang, als würde er von einem olympischen Berggipfel singen.
Frühere Songs wie ‚Ooby Dooby‘ waren simpel, doch er entwickelte sich weiter. Seine Kompositionen sprangen über Oktaven, sodass man sein Auto über eine Klippe fahren wollte. Orbisons Stimme konnte eine Leiche aufschrecken. Seine Songs enthielten Songs in den Songs, wechselten unvorhersehbar zwischen Dur und Moll. Orbison war todernst – nichts Vergleichbares im Radio.“
Familie
Roy Orbison war zweimal verheiratet und hatte insgesamt fünf Söhne. Seine erste Ehe schloss er 1957 mit Claudette Frady. 1964 ließen sie sich scheiden, heirateten jedoch bald darauf erneut. 1966 kam Claudette bei einem Motorradunfall ums Leben. Zwei Jahre später verbrannte sein Haus in Hendersonville, Tennessee, wobei zwei seiner Söhne, Roy DeWayne Orbison und Anthony King Orbison, ums Leben kamen.
1979 heiratete Orbison die Deutsche Barbara Jakobs. Sie bekamen zwei Söhne, Roy Kelton Orbison Jr. und Alexander Orbison. Barbara spielte eine wichtige Rolle in Orbisons Spätkarriere.
Roy Orbisons Tod
Roy Orbison erlitt am 6. Dezember 1988 einen Herzinfarkt. Er starb im Alter von 52 Jahren. Am Tag seines Todes hatte er mit Freunden Modellflugzeuge geflogen und den Abend im Haus seiner Mutter verbracht. „Er schien sich auf die kommenden Wilburys-Termine zu freuen, nicht ahnend, dass sein nächster Auftritt mit der Band sein letzter sein würde“, so der US-ameriaknische Rolling Stone.
Die Nachricht seines Todes schockierte die Musikwelt. Tom Petty erinnerte sich später an George Harrisons erste Reaktion: „Bist du nicht froh, dass du es nicht bist? … Es wird in Ordnung sein, er ist immer noch hier. Hör einfach hin“, erinnerte sich Petty. „Ich war sehr froh, mit Roy gearbeitet zu haben und ihn wirklich gekannt zu haben“, sagte Petty. „In seinem letzten Lebensjahr haben wir viel Zeit miteinander verbracht, wir haben uns wirklich gut kennen gelernt. … Ich wünschte, er hätte es sehen können – vielleicht hat er es gesehen, vielleicht sieht er es auch.“