Nicht die Beatles
WÄRE ICH EIN AUFSTREbender Rockstar, der eine Begleitband hinter sich versammelt, so könnte ich sie „Bogen“ nennen. Auf meinen Tourplakaten stünde somit „Eric Pfeil & Bogen“. Dieser womöglich egozentrische, aber doch halbwegs fulminante Einstieg führt uns direkt zum heutigen Thema: Bandnamen. „Abgeschmackt!“, mag manch einer abwinken, doch lesen Sie dies: Als ich neulich die schöne belgische Stadt Antwerpen durchtaperte, entdeckte ich auf einem Plakat den besten Bandnamen, der mir seit langer Zeit untergekommen war: „Not The Beatles“ nannte sich da eine Gruppe junger Rockschaffender. Toll. Bislang rangierte auf meiner Bandnamen-Bestenliste ja die Gruppe Zentralheizung of Death des Todes auf Platz 1, aber Not The Beatles ist einfach noch mehr Chef. Wer sich als Band Not The Beatles nennt, dem sollten unermessliche Albumumsätze und Zugang zu den edelsten Drogen dieser Welt eigentlich schon garantiert sein. Not The Beatles sind zudem so clever, sich derselben Typographie zu bedienen, die schon unseren Liverpooler Freunden bei ihrem Aufstieg nicht eben im Weg stand. Also, ich bin, ohne auch nur einen Ton gehört zu haben, Fan. Sollte es sich um keine Beatles-Ehrerbietungsgruppe handeln, muss weiterhin die Band „Ringo“ als Fab-Four-Tribute-Band mit dem besten Namen angesehen werden.
Andererseits: So wichtig sind Bandnamen auch wieder nicht. Als Beispiele seien The Doors, The Faces, Oasis und Fleetwood Mac genannt. Aus denen ist ja trotz blöder Namen auch etwas geworden. Wenn die Beatles Fleetwood Mac gewesen wären, hätten sie übrigens Best Mac geheißen: Denken Sie mal drüber nach!
Da ich für meine journalistische Unerbittlichkeit bekannt bin, habe ich keine Recherchen gescheut und muss an dieser Stelle verkünden: Not The Beatles sind eine Tribute-Band. Das ist natürlich schade. Tribute-Bands strahlen auf mich eine unglaubliche Traurigkeit aus. Noch mehr betrüben mich eigentlich nur Menschen, die am Record Store Day in den Laden rennen, dort mit der Erregung von Sommerschlussverkauf-Aficionados rares Vinyl einsammeln und es am nächsten Tag für groteske Summen im Internet anbieten. Spätestens hier ist der Vorwurf, Sammler raren Vinyls unterscheide nichts von Sammlern rarer Münzen, Briefmarken oder Käthe-Kruse-Puppen, nicht mehr von der Hand zu weisen: fast ein Grund, am Record Store Day keine Platten mehr zu kaufen. Ich werde künftig am RSD zu Hause den ganzen Tag ebenso illegale wie schlecht klingende MP3s herunterladen.
Ich selbst habe am diesjährigen RSD übrigens nicht ge-, sondern verkauft. Ein Freund hatte mich bequatscht, und so fand ich mich plötzlich hinter einer Kasse wieder und verkaufte Vinyl. So viel lässt sich sagen: Mein Talent auf diesem Gebiet ist überschaubar. Zwar zeigten sich viele Menschen durchaus willens, Handel mit mir treiben zu wollen, doch musste ich feststellen, dass sich an meiner Unfähigkeit, krumme Beträge zu addieren, in den letzten Jahrzehnten wenig geändert hat. Zudem fehlt mir die rechte Plattenverkäufermentalität: Schallplattenhändler sollten eine gewisse Grantigkeit an den Tag legen können und auch geschmackliche Maßregelungen dann und wann in das Fachberatungsgespräch einstreuen. Lediglich einmal, als mir eine Frau eine Pearl-Jam-Platte abkaufen wollte, weigerte ich mich standhaft.
Vor ein paar Wochen sah ich auf dem Flohmarkt eine Dame Amélie-esker Natur, die aus alten Schallplatten geformte Vinyl-Obstschalen zum Kauf anbot. Das wäre doch eine schöne Idee für den Plattenladen ums Eck: Rares Vinyl in der Sonne aufweichen, zu flotten Schalen formen und zum Verkauf anbieten. Durch eine derartige Ausstülpung des Angebots könnte man manchem wertkonservativen Plattenladenbesucher sicherlich eine Freude machen. Mir wiederum könnte man eine Freude machen, indem man mir mitteilt, wo ich rares Vinyl von Not The Beatles bekomme. Oder ein Album der noch zu gründenden Beatles-Tribute-Band Yoko. Oder eine Picture-Disc von Zentralheizung of Death des Todes.