NewNoises

Ein Schwerpunkt der November-CD: deutsche Popmusik in allen Facetten von Frevert bis Lauscher. Internationale Unterstüzung leisten Wild Flag, Anna Ternheim u.a.

01 Die britische Band Veronica Falls stellen wir parallel auch in der Breaking-Rubrik dieser Ausgabe vor, deshalb nur kurz: Aus dem Geist von Velvet Underground und The Smiths destillieren die Londoner herrlich wolkenverhangene 60s-Pop-Amalgame mit zweigeschlechtlichem Gesang. „Bad Feeling“? Nicht im Geringsten. Oh du süße Melancholie!

02 Wir würden nicht so weit gehen wie die Wikipedia und Wild Flag als „Supergroup“ bezeichnen. Aber eindrucksvoll ist die Besetzung der amerikanischen Band schon, setzt sie sich doch aus Mitgliedern der Untergrund-Heroen Sleater-Kinney, Helium und The Minders zusammen. „Wild Flag“ ist nun das erste Album dieser Band und gleich ein Treffer: Handclap befeuerter Power-Pop der feinsten Sorte, wie in unserem „New Noises“-Track „Romance“.

03 Bereits bestens eingeführt ist die schwedische Sängerin Anna Ternheim. Nachdem sie zuletzt in New York gearbeitet hatte, zog es Ternheim im Vorfeld der Produktion des neuen Albums „The Night Visitor“ ins Songwriter-Mekka Nashville. Dort arbeitete sie unter der Ägide von Matt Sweeney mit arrivierten Größen wie Will Oldham. Das zu Herzen gehende „The Longer The Waiting (The Sweeter The Kiss)“ sang sie indes mit einem eher Unbekannten ein: Dave Ferguson steht jenem Studio vor, in dem Ternheim die neuen Songs einspielte.

04 Einem neuen Betätigungsfeld wendet sich aktuell auch Eleanor Friedberger zu. Mit „Last Summer“ legt die Sängerin der Fiery Furnaces in diesen Tagen ein beachtliches Solodebüt vor. In „My Mistakes“ stellt sie die alte Frage, ob sie wohl jemals aus selbigen lernen werde. Nun: Solange sie aus ihren Fehlern derart herrlich unaufgeregten Indie-Pop schöpfen kann wie hier, sollte der erwünschte Lerneffekt wohl besser ausbleiben. Das ist zumindest unsere Meinung.

05 Als die jungen Wilden in den USA das Ruder übernahmen, hatten auch wir zwei Grunge-Bands, zumindest fast: Selig und natürlich die Nationalgalerie. Seitdem ist viel Zeit vergangen und der Sänger Niels Frevert hat eine Reihe von Soloalben veröffentlicht. Das bislang beste von ihnen ist das neue „Zettel auf dem Boden“, aus dem wir den schönen Titel „Ich würde dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist“ vorstellen wollen.

06 Ebenfalls aus Deutschland stammt die Band Talking To Turtles. Für die Aufnahmen des zweiten Albums „Oh, The Good Life“ reisten die Musiker trotzdem nach Seattle – und führten dort dem Vernehmen nach eben das, ein gutes Leben. Der amerikanische Einfluss ist Songs wie „Wonky Cradle“ anzuhören, ihre sehr eigene Art, windschiefe Indie-Folk-Geschichten zu erzählen, haben sich die Turtles aber nicht austreiben lassen. Ein Glück!

07 Er gilt zu Recht als einer der profiliertesten Trompeter des neuen New Orleans – und als ein Mann, der den Brückenschlag liebt. So ist es auch zu erklären, dass trombone shorty auf dem neuen Album „For True“ gemeinsame Sache mit Rockmusikern wie Kid Rock macht – im Song „Mrs. Orleans“.

08 Den etwas albernen Moniker des Duett-Partners von Wolfgang Frisch, der Mann nennt sich Pieter Gabriel, sollten wir für einen Moment vergessen und uns ganz den verschrobenen Kleinoden widmen, die der Sofa-Surfers-Mann gemeinsam mit vielen Freunden für sein zweites sogenanntes Produzentenalbum aufgenommen hat. Songs wie „Juxtaposed“ aus „Watering The Land“ begreift Frisch nicht zuletzt als Referenz an Scott Walker.

09 Die EP „Räubertochter“ ist das musikalische Debüt von Ulla & Komplizen aus Wien, ansonsten tätig im Grenzbereich zwischen Performance, Installation und transmedialer Kunst. „Seltsames Tier“ ist besonders hervorzuheben. Eine präzise, nüchterne und doch von tiefem Mitgefühl geprägte Bestandsaufnahme des Menschseins – zu locker skizziertem Laptop-Folk.

10 Sebastian Hackel ist ein Glückskind, dem vieles in den Schoß fällt, wofür andere hart arbeiten müssen. Zum Beispiel das Talent, eben mal so ein luftiges, spätsommerliches Songschreiberalbum hinzulegen. „Kreideblumen“ klingt, als läge seine Heimatstadt Dresden plötzlich am Atlantik.

11 Lauscher stammen aus Hamm und verpassen dem Begriff Deutsch-Folk auf ihrem zweiten Album „Auf der Pirsch“ eine Frischzellenkur. Zwischen Ruhrpott und iPod betreiben sie die Schamanisierung selbst unromantisierbarster Alltagsbereiche – hier mit Labelchef Tom Liwa als dritter Stimme.

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