~ NewNoises ~
Ja, es wird wieder kälter. Wärmen Sie sich an den Klängen von Tim Robbins und Deer Tick, von The Phantom Band, Simon Lynge und einigen anderen.
01Portland, immer wieder Portland. Auch die alaskische Band The Builders And The Butchers folgte dem Ruf der norwestamerikanischen Stadt. Dort ließen sie ihrem punkgrundierten Weirdo-Pop eine deutlich amerikanische Roots-Behandlung angedeihen: Das neue Album „Dead Reckoning“ enthält überwiegend mit Banjos und Mandolinen unterlegten Alternative-Folk. „Oh Mary is your candle burning still?“, fragt Sänger Ryan Sollee in „Cradle On Fire“. Eine Frage, die auf die Butchers bezogen unbedingt bejaht werden muss.
02 Natürlich schalten die meisten Leute bei einer Kombination der Wörter Schauspieler und Musiker nicht ganz zu Unrecht sofort auf Durchzug. Aber hier darf jetzt mal hingehört werden: Einige Songs auf dem Debüt von Tim Robbins reifen schon ein halbes Leben. Es fehlte an Zeit und Mut, zu einer Veröffentlichung konnte sich der Mime erst jetzt durchringen. Eigentlich schade: Gemeinsam mit der Rogues Gallery Band gelangen Robbins ganz entzückende Americana-Kleinode wie etwa „You’re My Dare“.
03 Wenig gute Nachrichten kamen zuletzt aus Los Angeles: Der Metropole war ein bisschen der kreative Atem ausgegangen. Nun aber erinnert sich eine neue Generation junger Musiker der großen Tradition der Westküste. Die Band Chief etwa beleiht mit großem Geschick die Altvorderen, tut dies jedoch auf ähnlich moderne Weise wie die Fleet Foxes oder The Walkmen. „The Minute I Saw It“ aus „Modern Rituals“ addiert zudem an Travis erinnernde Brit-Pop-Gitarren und Beschwörungsgesänge.
04 Stefan Prange war in Argentinien, um an den Texten für das siebte Album seiner Band The green apple sea zu arbeiten. Eine unbeschwerte Zeit erlebte er dort nicht, es gab schlechte Nachrichten aus der Heimat. Und so vereint nun „Northern Sky-Southern Sky“ die spröde Schönheit des lateinamerikanischen Landes mit melancholischer Tiefe zu berückenden Songs. „Satellite Wings“ beginnt mit einem Glockenspiel. Wenn Prange dann von Schmerz und Verlust singt, ist das so bittersüß wie das Leben selbst.
05 Daheim in Brooklyn genießt Frankie Rose einen hervorragenden Ruf als Moe-Tucker-inspirierte Retro-Schlagzeugerin. Mit ihrer eigenen Gruppe frankie rose and the outs ist sie nun ein bisschen abgekommen von der reinen Velvet-underground-Lehre. Das unbetitelte Debüt der Band imaginiert zwar 60s-Girl-Pop, erinnert aber auch an die Cranberries. Nun wissen wir nicht, ob bei den Outs nur „Little Brown Haired Girls“ spielen, doch dass Rose als Sängerin eine größere Bandbreite hat als am Schlagzeug, ist unserem „New Noises“-Beitrag zu entnehmen.
06 Bereits im Februar hatten wir anlässlich einer Glasgow-Reportage auf The Phantom BAnd und deren Arbeit am zweiten Album verwiesen. Inzwischen ist das Werk fertig, es heißt „The Want“, und wir finden, es ist gelungen. Ihren ohnehin schon ziemlich einmaligen Stilmix aus Post-Punk und Voodoo-Rock erweitert die Band in Songs wie „Walls“ um Krautrock- und Soundtrack-Einflüsse. Die Stimme von Schlangenbeschwörer Rick Anthony erhebt sich dazu wie der Nebel in „The Fog“. Majestätisch.
07 Einst waren fotos die Hoffnung des deutschen Pop. Auf ihrem Debüt boten die Hamburger eine hiesige Indie-Brit-Rock -Variante an, wurden dann aber doch nicht die deutschen Arctic Monkeys. Vier Jahre und einige Enttäuschungen später sind sie jetzt mit dem neuen Album „Porzellan“ ein bisschen, nun ja, erwachsener geworden. „Eine Angst sagt mir gute Nacht/ Eine Angst ist schon vor mir wach“, singt Thomas Hessler in „Angst“. Braucht er gar nicht zu haben!
08 Wie eine Fackel in tiefschwarzer Nacht klingt bisweilen die amerikanische Band deer tick. Die Songs des neuen Albums „The Black Dirt Sessions“ lagen seit zwei Jahren in der Schublade, nun wurden sie in Upstate New York einem letzten Feinschliff unterzogen. Eine gute Idee: So eindringlich wie hier leitete uns die Stimme John McCauley nicht immer durch die Abgründe des Lebens.
09 „Long Live The Duke & The King“ heißt das zweite Werk eben jener Band. Ein prophetischer Titel, denn eine Weile war nicht klar, ob der Band um Simone Felice und Robert Burke überhaupt ein längeres Leben beschieden sein würde. Doch nun ist Felice nach überstandener Herz-OP mit The Duke & THe King wieder da. Die Rückkehr feiert er nicht zuletzt mit dem verhallt-verwaschenen „Shine On You“. Betörend.
10 Auch über die lange Reise des singenden Eskimos Simon Lynge war hier schon zu lesen. Nun beweist „Infinitely You“: Lynge ist als Songschreiber ebenso talentiert wie als Rentierjäger. Hört man auch seinem Album „The Future“ an.