New Voices – Die CD im Rolling Stone – Von der Redaktion gehört und für gut befunden
EVOLUTION AUS BRISTOL
Aufpassen! Was wir hier zu hören bekommen, wird binnen kürzester Zeit zum Blueprint für unzählige Copycat-Acts werden: Nenne es „Brit-Hop“; Pop-Songwritertum trifft auf Sprechgesang und Breakbeats. DAY ONE, ein Duo bestehend aus Phelim Byrne und Donnie Hardwidge, stammen aus Bristol und wurden von Massive Attacks Label 3D entdeckt. Begeisterte müssen sich noch bis zum 13. März gedulden, um das Debüt-Album „Ordinary Man“zu erwerben.
MELANCHOLIE AUS HOBOKEN
Hoboken, New Jersey ist kein Platz zum Verlieben, schon gar nicht zum Altwerden. YO LA TENGO, geführt von dem Sänger und Gitarristen Ira Kaplan, halten es jedoch schon seit ihrer Kindheit in dem New Yorker Vorort aus. Die Kleinstadt-Atmosphäre inspirierte die ewigen Kritiker-Darlings zu mittlerweile zehn Alben. Das neue, ^4nd Then Nothing Turnedltselflnside Out“ verfugt erneut über ambienten, experimentellen Gitarrenpop, dessen Grundstimmung diesmal jedoch ungewohnterweise nicht schräg und hektisch, sondern sehr zurückhaltend, ja fast schon melancholisch ist.
CHILLEN IN BERLIN
Berlin bebt Und das kleine Kitty-Yo-Label hat wie üblich seine Ohren ganz nah am Epizentrum. Die neueste Errungenschaft: GONZALES, ein Berliner MC, der sein erstes Album voller chillout-tauglichem, ironiegetränktem jazzy HipHop bei den Trendscouts veröffentlichen darf. Egomanischer Titel der Platte: „Gonzales Über Alles“-.
SEXY GARAGENROCK Fünf lange Jahre musste man auf ein neues Album warten, doch es hat sich gelohnt Mit „Whiteout“ starten BOSS HOG, die gemeinsame Band von Christina Martinez und Ehemann Jon Spencer, machtvoll in einen neuen, viel versprechenden Karriereabschnitt Zum sexgeladenen, groovy Garagenrock addiert sich dezente Elektronik.
ERLÖSUNGSSÜCHTIG
Versucht man einen Namen für den eigenartigmagischen Stil von 16 HORSE-POWER zu finden, landet man bei der Beschreibung „Gothic Country“. Wie geht das zusammen? David Eugene Edwards und seine Mannen vereinen den erlösungssüchtigen Psycho-Rock von Gun Club oder Birthday Party mit Swamp Music und altem amerikanischen Southern Folk. Dazu heult und kehlt Edwards, als wäre er nicht von dieser Welt – oder ein Wiedergänger Jeffrey Lee Pierces.
PROMINENTE PROMOTION
Die US-Rocker MILLENCOLIN werden von zwei Männern unterstützt: Der eine heißt Brett Gurewitz, ist Boss von Epitaph und Produzent des neuen Albums „Pennybridge Pioneers“. Der andere ist Skisprung-Weltmeister Martin Schmitt als Band-Promoter. Auf die Frage eines Boulevard-Blattes, mit welcher Musik er sich entspanne, sagte er: „Ich stehe aufPunkrock-Bands wie Bad Religion und Millencolin.“
ZWISCHEN PUNK UND POP
Das Album werde sich so anhören wie eine Mischung aus „Never Mind The Bollocks“ und „Life’s Rich Pageant“, gab Chris Oiley, Songschreiber und Sänger von SIX BY SEVEN vollmundig bekannt. Nun, da mit „The Closer You Get“ das zweite Album der britischen Gitarrenrocker vorliegt, müssen derartige Versprechungen auf Einhaltung überprüft werden. Und tatsächlich kommen Oiley & Co. ihrem hohen selbstgesteckten Ziel beeindruckend nahe – wenngleich sich gerade Oiley mit seiner abgehobenen Song-Lyrik schwer tut Das allemal befriedigende Resultat: mehr Pistols als R.E M.
FAMOSES FÜLLHORN Eine heiße Neu
Entdeckung aus dem Guided By Voices-Umfeld: SWEARING AT MOTORISTS alias DaveDoughman und Don Thrasher verfügen nicht nur über einen ausgesprochen komischen Bandnamen, einen ausgeprägten Sinn für Humor und eine ausufernde Vorliebe für Alkoholika, sondern vermengen auf ihrem eklektizistischen Debüt-Album „More Songs Front The Mellow Struggle“ von Wave über Pop und Rock bis hin zu Country alles, was sie jemals von einer Radio-Station im heimatlichen Dayton, Ohio zu hören bekamen. Unglaublich: es funktioniert
AMERICANA FÜRS AUTO
So mancher mag sich an Gitarrist Dave Schramm noch als Mitglied von Yo La Tengo erinnern, auf deren Album „Hide The Tiger“ er mitspielte. Mit seinem Partner Ron Metz und seiner eigenen Band THE SCHRAMMS hat Dave jedoch auch schon vier Platten veröffentlicht Die Fünfte, „100 Questions“, ist gerade fertig geworden. Die beiden gefragten Session- und Studiomusiker setzen auf ihrem neuen Werk auf die gewohnte Mischung aus melodischem Gitarrenrock und knarrendem Americana, wissen aber auch mit leichtfüßigem Pop umzugehen. Ein Soundtrack für lange Autofahrten.
LUFTIGE NOSTALGIE
Byrds, Beatles, Beach Boys, dieses Sixties- Triumphirat steht für viele Pop-Bands dieser Tage Pate. THE KENNEDYS, vornamentlich Pete und Maura, füllten schon diverse Alben mit ihrem luftigen Pop-Optimismus. Für sein neues Album JEvoher“ geht dieses Ehepaar aus Austin, Texas jedoch noch einen Schritt weiter. Wie der Titel andeutet, ist millenniumsbedingte Evolution angesagt Neben kleinen Ausflügen ins bisher gemiedene Genre des HipHop/Breakbeat erstrahlen jedoch die Songperlen der Kennedys hier vor allem durch funkige Gitarren und ein neues Groove-Gewand in neuem Glanz. Das Attribut „jangly“ trifft am Besten auf den Punkt, wenn es um eine Sound-Beschreibung geht Die Kennedys verschmelzen süße Sixties-Nostalgie mit perlendem Achtziger-Jahre-Pop.
COUNTRY KUSST SOUL Wer LAMBCHOP kennt, weiß um deren magischen Stilmix aus Soul und Country, um den sich ihr Sänger Kurt Wagner und seine Mitstreiter spätestens seit ihrer letzten Platte „What Another Man Spills“ mit wachsender Leidenschaft bemühen. JNixon“, das neue Album der besonders bei Kritikern beliebten 12-köpfigen Band aus Nashville, setzt sogar noch stärkere Akzente auf den Soul-Bereich. Wagners gefühlvolles Falsetto erinnert mal an Curtis Mayfield, dann an AI Green, während er andere Songs des – wie gewohnt – brillant produzierten Albums im knurrenden Bariton eines Lee Hazlewood bestreitet. Darüber hinaus noch über eine völlig eigene Originalität zu verfugen, das gehört zu den Geheimnissen, die Lambchop zu einer großen Band machen. Eine weitere Meisterleistung.
ECHTE RARITÄT Ob Hype oder nicht Die britischen Popband EMBRACE hat in England – fast unbemerkt von Resteuropa – eine halbe Million mal ihr erstes Album „The Good Will OK!“ verkauft Epische Songs und von Gitarren getriebener Britpop mit einer optimistischen Attitüde zählten zu den Eckpfeilern ihres Erfolgs. Eine Menge Druck lastete folglich auf der Produktion des neuen Albums „Drawn Front Memory“. Das Quintett verschanzte sich in Leeds und versuchte, sich nicht von hohen Erwartungen irritieren zu lassen. Das Resultat nennt ihr Sänger Danny McNamara nun „weniger verkrampft und perfektionistisch.“ „Tve Been Running“ ist die B-Seite der nur in ihrer Heimat veröfiendichten Single „Hooligan“, also eine echte Rarität.
ZURÜCKHALTUNG SIEGT Leicht hat es Eric Linder alias PO-LAR noch nie gehabt Als er zehn Jahre alt war, zogen seine Eltern aus Irland in die Schweiz: neues Land, neue Sprache, neue – noch dazu französische – Schule in Genf. Trotz Erfolgen als Sportler – Linder war mehrmaliger Schweizer Meister im Laufen über 800 und 1500 Meter – fühlte er sich stets frustriert und missverstanden. Musik als Ventil lag nahe. Schon die erste Begegnung mit der Welt der Töne endete jedoch mit einem Rauswurf von der Musikschule. Allen Widrigkeiten zum Trotz ist Linder zu einem zurückhaltenden, aber selbstsicheren Musiker geworden. Seine neues Album „Bi“ vereint gefühlvollen Singer/Songwriterpop mit ideenreicher Musik.