New Order: Das bessere Leben ist säurefrei
Die ehemaligen 24-Hour-Party-People New Order lehnen heute auch mal einen Drink und eine Pille ab - ihre Musik bleibt trotzdem schimmernd und exzessiv
Manchmal kommen sie tatsächlich wieder, ohne dabei wie Zombies auszusehen: New Oder haben 2001 mit „Get Ready“ eins der schönsten Comebackalben aller Zeiten abgeliefert. Und so wie sich das neue Album „Waiting For The Siren’s Call“ anhört, ist ein Ende des zweiten Frühlings nicht absehbar. Und das bei einer Band, die bereits seit 28 Jahren zusammenspielt, deren erster Sänger Ian Curtis sich aufhängte und deren „Blue Monday“ die Todfeinde Indie und Dance für immer an einen Tisch brachte. Deshalb gelten sie – neben Kraftwerk – als Gründerväter einer globalen Underground-Clubszene.
„Siren’s Call“ orientiert sich auch wieder stärker an den elektronisch-tanzbaren Klassikern. Die Stätten seiner einstigen Exzesse sucht Sänger Bernard Sumner heute aber nur noch selten auf: „Ich gehe nicht mehr jedes Wochenende in Clubs. Früher war das typische Samstagnacht-Programm, mit Freunden auszugehen und high zu werden. Wir landeten selten vor halb elf am nächsten lag im Bett. Beim Heimkommen war ich regelmäßig in einem fürchterlichen Zustand, krank und kaputt. Zuletzt hatte ich von diesem Lebensstil die Schnauze voll, es nimmt mich einfach zu sehr mit“
Ehrlich gesagt: Der 49-Jährige sieht jetzt auch aus wie eine echte Couchkartoffel – doch er kämpft dagegen an: „Wenn man mit einer Sache aufhört, die einem jahrelang wichtig war, fällt man in ein schwarzes Loch. Deshalb habe ich mir ein Boot gekauft und gehe segeln. Das macht einen irgendwie… glücklich.“
So klingt „Waiting For The Siren’s Call“ auch: glücklich. Kein um zehn Ecken gedachtes, retro-futuristisches Disco-Zeug, sondern grandioser Pop. So wie früher bei Madonna, deren letzter Adjutant, Stuart „Zoot Woman“ Price, für New Order die zwei Songs „Jetstream“ und „Guilt Is A Useless Emotion“ produziert hat .“Es war seine Idee, daß wir Ana Matronic von den Scissor Sisters als Backing-Sängerin dazu geholt haben“, schwärmt Sumner – ansonsten sind New Order ja inzwischen ein reiner Männerbund. Gillian Gilbert, die mit Schlagzeuger Stephen Morris verheiratete Ex-Keyboarderin, kümmert sich schon seit längerem nur noch um ihre beiden Kinder. Der Neue heißt Phillip Cunningham und spielt bereits seit der „Get Ready“-Tour Gitarre und Keyboards.
Gleich drei Produzenten waren bei „Siren’s Call“ mit an Bord: Price kümmerte sich um die Dance-Tracks, Stephen Street überwachte das Jangeln der Gitarrenstücke John Leckie brachte die Weisheit des alten Hasen mit, der schon mal ein paar Kerzen anzündet, um die Stimmung im Studio zu optimieren. Das ungewöhnlichste Stück aber haben New Order selbst produziert – nach einer Idee von Käpt’n Sumner: Jeden Winter kreuze ich auf dem Boot durch die Karibik. Letztes Mal habe ich dabei ein paar lokale Kurzwellensender mitgeschnitten: großartige, frische Beats seit den frühen Tagen von Disco macht mich das an. Zu Hause habe ich diese Dancehall-Stücke in den Computer geladen. So fing ‚I Told You So‘ an.“
Eine Band, die noch immer die Antennen weit ausgefahren trägt.