New Noises

Im Dezember ist auch unsere "New Noises" in weihnachtlicher Stimmung: Songs über Schneeflocken und Snowboarding, William Shatner wünscht sich die ideale Frau und Gunter Gabriel legt sich ein Tribute'Album auf den Gabentisch. Und wir erinnern uns an den alten Freund Elliott Smith.

01 Des war ja klar irgendwie, dass man auf dem Album, das ELLIOTT SMITH vor seinem viel zu frühzeitigen Ableben nicht mehr ganz fertig stellen konnte (und das seine Freunde für ihn beendeten), nach Hinweisen auf sein herannahendes tragisches Ende suchen würde. Das hatte man bei John Lennons „Milk And Honey“ getan, bei „Grievous Angel“von Gram Parsons – und so wie dort wird man natürlich auch auf „From A Basement On The Hill“ fündig. „A Fond Farewell“ heißt einer der schönsten Songs auf diesem den Umständen entsprechend nicht mehr ganz so süffig arrangierten kleinen Meisterwerk, der jede Menge Raum für Interpretationen lässt. „The litebrite’s now black and white/ Cause you took apart a picture that wasn’t right/ Pitch burning on a shining sheet/ The only maker that you want to meet/ A dying man in a Irving room/ Who’s shadow paces the floor/ Who’ll take you out in the open door/ This is not my life.“ A fond farewell to Elliott Smith.

02 Joe Knapp, der Songwriter und Kopf von SON, AMBULANCE und ehemaliger Mitbewohner von Bright Eyes-Chef Conor Oberst, hat wie Smith ein Ohr für große, popgeschichtlich informierte Arrangements. Waren es auf den letzten Smith-Platten die späten Beatles, lässt Knapp sich auf dem wundervoll emphatischen „Key“ von den großen Popalben Anfang der 70er inspirieren. Doch auch Radiohead lugen aus dem Referenzdschungel hervor. Das perlende Piano auf „Paper Snowflakes“ müsste eigentlich Coldplaysches Hitpotential haben.

03 Der Meister des perlenden Pianos ist ja seit seinem letzten Album eigentlich Ben Folds, dessen drei hervorragende EPs nun endlich auch in Deutschland erschienen sind. Umso erstaunlicher, dass „Ideal Woman“, seine Komposition zu einem der launigen Texte von WILLIAM SHATNER auf dessen zweitem Album „Has Been“ (das erste, „Transformed Man“, stammt von 1968!), ohne das perlende Piano auskommt Folds, der auf dem fast unhörbaren Werk „Fear Of Pop, Volume 1“ erstmals mit dem „Enterprise“-Veteranen zusammenarbeitete, bedient stattdessen die Wurlitzer-Orgel, Ex-Posie Jon Auer die Gitarre. Weitere Gäste auf „Has Been“: Joe Jackson, Aimee Mann, Henry Rollins und Lemon Jelly.

04 Selbst genug waren sich hingegen die MANIC STREET PREACHERS und nahmen ihr siebtes Album ohne prominente Gäste auf. Wenn man mal von Tony Visconti, der zwei der Stücke produzierte, und dem Protagonisten der Single „The Love Of Richard Nixon“ absieht. Wieder etwas opulenter als auf dem letzten Album „Know Your Enemy“, mischen die Manics auf „Lifeblood“ wieder Protest und (musikalischen) Kitsch – ohne dass gleich Protestkitsch dabei herauskommt.

05 Im klischeefreien Vermischen verschiedener Stilrichtungen sind auch THE LEGENDS, ein achtköpfiges Musikerkollektiv aus Schweden, große Meister. Auf ihrem Debüt “ Up Against The Legends“ spielen sie sich – wie so viele Bands aus Skandinavien in letzter Zeit – quer durch die gesamte Pophistorie, ohne dass man deswegen das Gefühl hätte, vor einem Kopiergerät zu sitzen. In diesem Fall reichen die Einflüsse von Motown-Girlgroups bis Garagenrock und New Wave amerikanischer Prägung. Eine feine Retro-Platte, die man natürlich auf Vinyl besitzen muss.

06 Retrospektiv geht’s auch auf „Folker“, dem neuen Album von Vielveröffentlicher PAUL WESTERBERG, zu. Er wolle wieder näher an die Wurzeln des Rock’n’Roll und habe sich daher für eine reduzierte Instrumentierung – hauptsächlich bestehend aus Standbass, Schlagzeug und akustischen Gitarren – entschieden. Schade, dass Sam Phillips nicht mehr lebt Manchmal klingt „Folker“ so, wie man Ryan Adams gerne wieder hätte. Auf jeden Fall ist es Westerbergs bisher konzisestes und homogenstes Solowerk.

07 Weniger puristisch gehen da die Finnen von HUSKY RESCUE zu Werke – obwohl der Albumtitel „Country Falls“ und der hier zu hörende Song „Summertime Cowboy“ das hätten nahe legen können. Spuren von Folk und Country lassen sich in den Kompositionen des Multi-Instrumentalisten Mark Nyberg allerdings schon ausmachen, doch auch Dance- und Elektro-Einflüsse oder Score-Musik hört man hier heraus. Kein Wunder, dass Nyberg unter anderem auch Regisseure wie David Lynch, Lars von Trier, Wim Wenders oder Russ Meyer als wichtige Einflüsse auf seine Kunst angibt.

08 Wenn’s um die musikalische Einordnung von RICHARD BUCKNER geht, bekommt man ebenfalls Probleme. Wo verläuft die Grenze zwischen den zeitlosen Werken von Indie-Songwriter-Heroen wie Will Oldham, Bill Callahan oder Jason Molina und rückwärtsgewandter Roots-Seligkeit? „Denis And Shells“, eines seiner überzeugendsten und dunkelsten Alben bisher, ist jedenfalls Vergangenheitsbewältigung (ein Trennungsalbum) und unvergängliche Songkunst zugleich.

09 Rock’n’Roll, Jazz, Swing, Folk, Klassik – der Kölner Philosophiestudent, Pianist, Sänger und Songschreiber FRANZ KASPER sitzt seit drei Alben bequem zwischen allen Stühlen. Da werden auf seinem jüngsten Werk mit seiner Begleitband The Violin Violance Heidegger und Meister Eckart name-gedroppt und die musikalischen Strukturen in den mit einer entfernt an Grant Lee Philips erinnernden Stimme vorgetragenen Texten thematisiert, und doch swingt das alles äußerst unbeschwert dahin. It’s only Rock’n’Roll.

10 Und wo wir gerade beim Rock’n’Roll sind: Chuck Berry, Eddie Cochran und Gene Vincent gehören zu den Helden des 24-jährigen NIC ARMSTRONG aus Nottingham. Das hört man seinem famosen Debüt mit dem selbstironischen (?) Titel „The Greatest White Liar“ auch durchaus an. Armstrongs Stimme und das polternde Schlagzeug erinnern ziemlich an die White Stripes. So als ob Jack White statt Loretta Lynn und Skip James mehr Buddy Holly und Billy Childish gehört hätte.

11 Die PEARLFISHERS sind dagegen weiter auf Spuren der Beach Boys. Auch wenn diese diesmal nicht im Sand, sondern im Schnee verlaufen und sie damit eine alte 60s-Pop-Tradition neu beleben: das Christmas-Album. Sieben neue Songs und das Weihnachtslied „Away In A Manger“ gibt’s auf „Sunflower At Christmas“. Die wohlige Melancholie fehlt natürlich auch hier nicht und der Sound ist warm wie immer statt wunderlich frostig. Aber weihnachtliche Stimmung kommt trotzdem auf.

12 Der alte Schlager-Haudegen Gunter Gabriel kann sich in diesem Jahr sein eigenes Tribute-Album auf den Gabentisch legen. „Liebe Autos Abenteuer“ (angelehnt an die Kompilation von Gabriels Vorbild Johnny Cash, „Lovee God Murder“) ist sogar gleich ein Triple-Album geworden, auf dem sich von Ted Herold bis Mambo Kurt vieles von (teilweise auch zweifelhaftem) Rang und Namen versammelt hat. Am erhellendsten ist wohl die Version des Gabriel-Klassikers „Hey Boss, ich brauch‘ mehr Geld“ durch XAO SEFFCHEQUE und RALF SCHIENKE von Family 5.

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