Neustart jetzt!
Bevor Mick hucknall sich auf neues musikalisches Gebiet wagt, hat er ein Album mit alten R&B-Songs aufgenommen. Schuld daran sind angeblich einige Rolling Stones
Als Simply Red 2009 und 2012 ihre Farewell-Konzerte gaben, war Mick Hucknall schon längst mit dem Kopf woanders. Neue Songs und Sounds sollten den Neubeginn markieren. Doch nun liegt mit „American Soul“ ein Album mit alten R&B-Songs vor, das nicht grundsätzlich anders klingt als manches Lied von Simply Red. Dazu absolviert Hucknall derzeit einige Auftritte im Rahmen der „Night of the Proms“ – auch nicht gerade ein Indiz für die Lust auf Abenteuer. Und doch ist alles neu, erklärt der Künstler.
Mr. Hucknall, warum ist es gut, jetzt ein Album mit alten R&B-Titeln aufzunehmen?
Alles begann mit einem Anruf von meinem Freund Bill Wyman. Er lud mich ein, bei einem Konzert seiner Rhythm Kings einige Songs zu singen – altes R&B-Material. Dann rief mich Ronnie Wood an: Ich sollte bei einem Konzert der Faces in der Royal Albert Hall für Rod Stewart einspringen – und alte R&B-Songs singen. Das ist so gut gelaufen, dass wir hinterher zusammen auf Tour gegangen sind. Als Nächstes spielte ich einige Konzerte mit Charlie Watts‘ The ABCD of Boogie Woogie – und sang alte R&B-Songs. Es war wie ein Trip! Weil mir das alles so riesigen Spaß gemacht hat, fragte mein Manager: „Mick, warum machst du nicht ein Album mit R&B-Songs?“ Wir waren gerade sowieso im Studio, es passte hervorragend. Zwei Songs pro Tag, total einfach.
Wie haben Sie das Repertoire ausgesucht?
Wir haben meine alten Platten angehört und Songs gesucht, mit denen man etwas Zeitgemäßes anstellen kann. Wir waren überrascht, wie schwierig das war – die meisten Songs klingen altmodisch, wenn man sie in modernem Sound spielt.
Sucht man nicht auch nach so etwas wie einem persönlichen Bezug? Die erste Single, der erste Tanz?
Ja, sicher, das spielt eine Rolle – viele dieser Lieder begleiten mich seit meinen Teenager-Jahren. Ich ging oft in einen Plattenladen in Manchester, in dem es amerikanische Importe gab. Die waren 1974 billig geworden – die Leute hassten Blues und R&B, das war Musik von gestern. Für mich war es die Zukunft.
Hatten Sie für 2012 nicht eigentlich ein anderes Album vor? Nach dem Ende von Simply Red sprachen Sie von britischer Musik, Beat und lauten Gitarren.
Ja, wir nahmen das Album gerade auf, als die Idee für „American Soul“ entstand. Ich gehe auf diesem Album, das dann nächstes oder übernächstes Jahr erscheinen wird, zurück zu den großartigen britischen Musikern der 60er-Jahre, zu den Beatles und den Stones – die haben ja damals sozusagen die Rockmusik erfunden. Es war nicht Rock’n’Roll, aber auch nicht R&B, sondern dieses seltsame britische Zeug. So wird meine neue Musik klingen.
Das ist die deutliche Abkehr von Simply Red, die man jetzt schon erwartet hätte.
Schon klar, aber ich lasse mich nicht von Erwartungen unter Druck setzen. Das ist ja das Schöne daran, dass es Simply Red nicht mehr gibt: Ich muss keinem Ruf gerecht werden. Die Dinge passieren, und ich mache, was sich mir präsentiert. Zum Beispiel eine Tour als Ersatz für Rod Stewart.
Ist diese Freiheit die große Veränderung, die Ihnen das Ende von Simply Red gebracht hat?
Wenn man 25 Jahre lang weltweit erfolgreich war, hat man ein Problem: Du musst deine Hits spielen, ob du willst oder nicht. Du hast ein neues Album und gehst auf Tour, und vielleicht spielst du an den ersten Abenden vier, fünf neue Songs, aber ich garantiere dir: Am Ende der Tour spielst du ein Greatest-Hits-Programm. Ich kann das nicht mehr. Die Kohle stimmt, aber ich werde verrückt dabei. Wenn ich in meinen Sechzigern bin, will ich neue Songs spielen und ein Publikum haben, das wegen dieser Songs zu meinen Konzerten kommt. Um das zu erreichen, musste ich Simply Red verlassen.
Ein bisschen wie Mark Knopfler und die Dire Straits.
Ja, aber ich will keine Musik für ein kleines Publikum machen – ich will Erfolg. Ich will noch mal Karriere machen. Ich weiß, es wird vielleicht nicht so erfolgreich wie Simply Red. Ich weiß, dass wir am Anfang kleine Hallen spielen werden. Aber was ist, wenn wir zum zweiten Album schon wieder in den großen Arenen stehen? Das ist mein Ziel. Ich bin 52 Jahre alt. Ich fang noch mal von vorne an.
Viele haben das Ende von Simply Red so verstanden, dass Sie mit der Musik aufhören wollen.
Eine völlig absurde Vorstellung. Ich hatte das neue Album schon halb fertig, als wir zum letzten Mal auf Tournee gingen. Ich glaube nicht, dass ein Künstler sich zur Ruhe setzen kann. Was soll das überhaupt heißen? Soll ich am Strand liegen oder den ganzen Tag fernsehen? Ich will arbeiten, einen neuen Katalog aufbauen, mein Publikum überzeugen, alles noch einmal erleben. Sterben muss ich ja sowieso. Da muss ich den Prozess nicht auch noch beschleunigen.