Neil Young – Berlin, Waldbühne
Keine junge Band, wie im letzten Jahr, als Pearl Jam dabei waren. Kein Neil-Young-spielt-Grunge-Hype, kein „Wie klingt das wohl?“. In diesem Jahr kam Neil Young zusammen mit Crazy Horse nach Berlin. Das versprach eine Art classic open air. War es bloß Einbildung – oder fehlte diesmal wirklich jede Jugend im Publikum? Statt Holzfallerhemden sah man nur abgeschabte Lederjacken. Und die Jeans waren nicht weit und zerschlissen, sondern eng und zerschlissen. Statt der Integrationsfigur stand an diesem Abend ein alter Kumpel auf der Bühne, der zusammen mit alten Kumpels für alte Kumpels spielte. Aber vorher wurde noch Alanis Morissette dafür bejubelt, daß sie Musik macht wie vor 20 Jahren. Sie wirkte sehr klein und ein bißchen verloren da unten auf der Bühne. Als Neil Young kam, wirkte die Bühne klein und ein bißchen verloren.
In seiner ganzen Klassizität ist der Sound von Crazy Horse doch immer noch Materie-zernichtend. Kaum eine Band sonst kann einem das Gefühl vermitteln, daß man gerade zum ersten Mal Rockmusik hört. „Hey Hey My My“, der Song, den er nie wieder spielen wollte, eröffnete die Show. Dann lief das Repertoire in altbekannten Bahnen, mit drei Kategorien von Songs: Erstens die kurzen, schnellen Hauer der Prägung „Powderfinger“, diesmal nur mit wenigen Stücken der neuen Platte „Broken Arrow“ versetzt. Zweitens die akustischen Folk-Stücke wie „The Needle And The Damage Done“, die Young diesmal so lustlos dahinnölte, ab sei er zu Gast bei einer „Oldies but Goldies“-Show. Und drittens die epischen Hauptwerke. „Cortez The Killer“ war ergreifend, „Like A Hurricane“ verstörend: Es begann als Mitklatsch-Rock, wurde zur Feier musikalischer Spiritualität und endete wie ein Remix nach dem Atomkrieg.