„Nee, Junge, so läufst du mir nicht rum.“
Ich war mit 15,16 in ein Mädchen verschossen. Aber die war damals mit einem Musiker zusammen. Zu allem Überfluss war der auch noch Gitarrist und Sänger und ziemlich talentiert. Der ganz große Hero also. Gegen den war gar nicht anzukommen. Nicht im Entferntesten! Der war also im Grunde mein Ich-Ideal. Und er hatte nicht nur lange Haare und einen Cowboy-Hut, er trug auch noch eine Hose mit genau solchen Flicken wie auf dem Plattencover von Neil Youngs „After The Goldrush“. Ich weiß nicht, ob er sich die hat machen lassen. Als ich das sah, dachte ich: Das kann ich doch selber auch.
Meine Mutter hatte mir ein Halstuch gekauft. Sie hatte wohl bei irgendeinem dieser Schlagertypen gesehen, dass man so was jetzt trug. Die hatten ja damals auch schon diese Beatles-Frisuren. Aber diese Zeit war ja längst vorbei. Mittlerweile liefen überall Hippies rum. Und zu denen habe ich mich mehr hingezogen gefühlt. Aber da waren meine Eltern natürlich dagegen. Um jeden Zentimeter Haarlänge musste ich zu Hause mit meinem Vater kämpfen.
Jedenfalls dachte ich, dieses alberne Halstuch da, mit dem Chris Roberts vielleicht rumrennen würde, das muss jetzt dran glauben. Ich habe mir also von meiner Angebeteten „After The Goldrush“ geliehen – da war „Southern Man“ drauf, immer noch eines meiner absoluten Lieblingsstücke -, und habe dann das Halstuch zerschnippelt und versucht, mit Nadel und Faden diese Flicken auf die Hose zu nähen … Es war einfach niederschmetternd! Ein demütigendes Gefühl. Man sieht nicht nur scheiße aus und kann keine Gitarre spielen. Sondern man kann sich nicht mal’n Flicken auf eine Hose nähen. Und Muttern machte das auch nicht für einen. Es hieß ja nicht Jeans damals, sondern Nietenhose (lacht). „Ne Nietenhose? Und dann noch’n Flicken drauf? Warum das denn? Nee, Junge, so läufst du mir nicht rum.“
Das wurde also nichts mit dem Mädchen. Aber ihr Freund hat später noch tolle Musik gemacht. Mit einer Band, die Springflut hieß, hat er im Zuge der auslaufenden Deutschen Welle eine Platte mit deutschsprachiger Popmusik aufgenommen. Da waren tolle Kompositionen dabei. Ich hab sogar irgendwann mal Texte für die geschrieben.
Aufgezeichnet von maik brüggemeyer
Von Frank Schulz, Autor der „Hagener Trilogie“, erschien in diesem Jahr der Erzählungsband „Mehr Liebe“ (Galiani, 19,95 Euro).