Nashville Skywalker
Donnerkopf und Plattenboss Jack White über Schicksal und Zufall, weibliche Magie und sein nobles Angebot an die Rolling Stones
Mit dem Gastauftritt im Rolling-Stones-Film und dem James-Bond-Titelsong, der eigenen Plattenfirma Third Man Records und der Mentorenschaft für Model-Ehefrau Karen Elson und Rock’n’Roll-Legende Wanda Jackson hat sich Ex-Indie-Blues-Hobbit Jack White endgültig in die Reihe der respektierten music people befördert. Den 35. Geburtstag feierte er Anfang Juli auf Tour, mit seiner Drittband The Dead Weather, die eben ihr zweites Album „Sea Of Cowards“ veröffentlicht hat. Anlass für ein kurzes Resümee: Wo genau steht der Junge aus Detroit heute, dessen Gitarrenriffs sogar in Fußballstadien gesungen werden?
Jack White, Ihr Karriereweg vom Polsterer mit Musikhobby zum Mitglied der Rock-High-Society klingt wie ein mittelmäßiges Filmskript, oder?
Ja, eine sonderbare Geschichte. Gelegentlich passieren mir heute Sachen, von denen ich als Junge noch dachte, es wären Märchen. Sowas wie der große Lotteriegewinn. Sachen, die man nie aus eigener Kraft erreichen kann, egal, wie gut man ist.
Glauben Sie an Schicksal?
Ja, sogar sehr. Wir tun zwar immer so, als hätten wir alles unter Kontrolle, aber das ist eine Fehlleistung des menschlichen Denkens. Besonders bei Musikern. Wohin ein Songwriter, Musiker oder Produzent geht, entscheiden die Songs, entscheidet die Musik aus eigener Kraft. Erst wenn man sich das zugesteht, kann man vorankommen.
Ein Argument gegen das Vorausplanen im Leben? Weil eh immer alles so kommt, wie es kommt?
Verallgemeinern würde ich das nicht. Aber wenn ich etwas anpacke, dann deshalb, weil mein Gefühl mir sagt, dass ich keine andere Wahl habe. Mein Plattenlabel zum Beispiel: Eigentlich war ich in Nashville nur auf der Suche nach einem Lagerhaus für unser Equipment. Dann gab es in dem Gebäude noch ein Fotostudio, und ich dachte: Damit muss man doch irgendwas anfangen können … So kam eines zum anderen. Das meiste, was ich mache, ist aus der Hüfte geschossen.
Manche Leute finden allerdings, dass sie ab und zu weniger schnell schießen sollten. Dass sie zu viele Platten mit zu vielen verschiedenen Bands veröffentlichen.
Diese Einstellung hat mit den Gewohnheiten zu tun, die sich in den letzten 100 Jahren Musikkonsum herausgebildet haben. Von irgendwo her kommt dieses Bedürfnis des Publikums, immer wieder dieselben Sachen zu sehen, wieder und wieder. Aber es wäre doch Schwachsinn, wenn ich Musik verhindern würde, statt ihr auf die Welt zu helfen. Genau dafür bin ich nämlich da.
Disziplin braucht man trotzdem für so viel ungehindertes Musizieren. Was ist das Komplizierteste an Ihrer Band The Dead Weather?
Schwer zu sagen, weil es die unkomplizierteste Gruppe ist, die ich je hatte. Und ich hatte einige seit meiner Teenagerzeit! Bei Dead Weather ziehen alle Mitglieder mit, sind mit ganzer Leidenschaft dabei. Wenn man in Bands spielt, kommt es selten vor, dass mehr als eine eine Person hundertprozentig bei der Sache ist.
Das sind wahrscheinlich immer Sie – können Sie mit Ihrem Ehrgeiz ein unangenehmer Kollege sein?
Kommt drauf an. Wenn etwas zur Disposition steht, dass mir viel bedeutet, kann ich unangenehm und rechthaberisch sein. Aber in 90, 95 Prozent der Fälle kann man gut mit mir reden. Dead Weather sind eine echte Teamarbeit, an der jeder seinen Anteil hat. Das gefällt mir. Wenn ich der Boss sein muss, bin ich es üblicherweise gegen meinen Willen.
Wenn das alles so einfach ist – was war Ihre schwierigste Band?
Die White Stripes natürlich! Aber das haben wir ja mit Absicht so angelegt: Diese Band sollte ein ewiger Kampfschauplatz werden. Die Beschränkung auf die Farben Rot, Weiß und Schwarz, die Aufnahmetechnik, die ganzen Regeln, die Live-Shows ohne Setlist. Wenn ich zu spielen aufhöre, ist die Musik vorbei – dieser Kraftakt ist 90 Minuten lang schwer zu ertragen.
Wo wir schon dabei sind: Ihre allererste Band?
Mein Gott … das war in der Schule, mit einem meiner Brüder und meinem Freund Dominic. Eine Dachboden-Bluesband, ich war der Schlagzeuger. Wenn ich mich richtig erinnere, hießen wir The Fuck-Ups. Wir haben selten geprobt. Meistens habe ich meine eigene Gitarre auf Band aufgenommen und dazu getrommelt.
Sie haben kürzlich ein Album mit Ihrer Ehefrau Karen Elson produziert. Hat sie Ihnen später gesagt, wie sie die Arbeit mit Ihnen fand?
Sie war so begeistert davon, ihre eigenen Songs endlich mal in einer vernünftigen Aufnahme zu hören, dass diese Erfahrung, glaube ich, alles andere überstrahlt hat. Sie hat immer gelächelt. Wenn sie mich unerträglich fand, hat sie es gut versteckt.
Das ist schon auffällig: Sie lieben es, mit Frauen zu arbeiten.
Stimmt. Wenn man mit Männern im Studio sitzt, muss man sich immer erst mal durch einen Haufen Ego-Angelegenheiten hindurchkämpfen, bevor man richtig anfangen kann. Aber wenn Mann und Frau zusammen im Raum sind, entsteht gleich eine ganz besondere Balance, eine Chemie – und schon ist man auf der nächsthöheren Ebene. Wanda Jackson, Alicia Keys, Loretta Lynn, Meg White, Alison Mosshart von Dead Weather: Jede dieser Frauen hat eine ganz eigene, unverwechselbare Aura. Mit Männern zu arbeiten – ehrlich gesagt: Das fühlt sich für mich oft jedes Mal gleich an.
Mit Keith Richards war es aber sicher etwas Besonderes.
Aber sicher. Einmal haben wir bei mir zu Hause in Nashville zusammen aufgenommen, ein anderes Mal in New York. Es war natürlich unglaublich toll. Ich habe Bass gespielt, wir haben ein paar Coversongs aufgenommen und an eigenen Stücken herumprobiert. Was aus denen wird? Keine Ahnung. Ich würde es Ihnen erzählen, wenn ich es nur wüsste.
Könnte es eine Duoplatte geben?
Wie gesagt: Ich weiß es nicht! Vielleicht wollte Keith nur ausprobieren, wie die Arbeit mit mir so läuft und ob es für die Rolling Stones Sinn ergeben würde, sich von mir produzieren zu lassen. Alles, was ich dazu kommentieren kann: Ich habe Mick und den anderen gesagt, dass ich eine dreckige Bluesplatte mit ihnen machen würde, wenn sie sich für mich entscheiden. A dirty blues record. Sie müssen sich jetzt überlegen, ob sie die machen wollen oder nicht. Ich würde sagen: Das ist genau die Platte, die jetzt alle von ihnen hören wollen. Warten wir’s ab.
Interview: Joachim Hentschel