Nach zwei Jahren hat Brendan Perry den Abschied von Dead Can Dance solo gemeistert
Hey, Brendan, du sollst angeblich auf dem Kontinent ein Rockstar sein. Los! Sing uns mal’n Lied!“ Sehr witzig. Das hat er nun davon. Denn wegen der abgeschiedenen Idylle ist Perry Vorjahren ins irische County Cavan gezogen, hat fern von allem eine verlassene Kirche gekauft. Nix cultura weit und breit. Nur am Wochenende gehen alle ins Pub. Der Höhepunkt der Woche in Quiwy ist halt der Samstagsabsturz in der Dorfkneipe. Guinness, Paddy-Whiskey, Musik, Spaß, so einfach geht das.
Natürlich lässt Perry sich nicht lange bitten und spielt mit den Kumpels ein paar Cover-Versionen von Tim Buckley oder Tim Hardin. „Schöner, sentimentaler Folkblues mit Geschichten über verpasste Gelegenheiten – das passt.“ Und siehe da, diese ergreifenden Kneipen-Sessions werden plötzlich zur großen Hilfe, sind wie ein Auftauchen aus dem Abschiedsschmerz über den Verlust seines Lebenswerkes Dead Can Dance. Immerhin, Millionen fast unbemerkt verkaufter Alben mit feinzieseliertem Schönklang in 16 Jahren, all das sollte urplötzlich vorbei sein, bloß weil seine ätherische Partnerin Lisa Gerrard andere, eher ethnisch beseelte Opernwerke präsentieren und obendrein zurück in ihre australische Heimat in den Baw Baw Mountains wollte.
Brendan Perry grämte sich für den kurzen Moment von zwei Jahren, doch nun erscheint er wundersamerweise mit einem Solowerk von berührender und dennoch handfester Schönheit: „The Eye Of The Hunter“. Bis auf eine Tim-Buckley-Adaption („I Must Have Been Blind“) schweben seine Songs wie Seefahrer-Gospel über die sieben Meere der beseelten Klangfülle.
Perry der Jäger, der seit 20 Jahren alle nur denkbaren Instrumente sammelt. Bislang sind es rund 230. Perry, der Sternengucker, der sich nächtens, so denn der Himmel über Irland klar ist, per Teleskop im Universum verliert. Aber auch Perry, der Landjunker, der sich ums große Anwesen, um Dutzende von Tieren kümmert und den Kindern der Dorfschule Trommelunterricht gibt. Der daheim am Computer Filmmusiken verfasst („Baraka“ und „Kooyanisquatsi“) und für eine TV-Serie über das Leben Frank Sinatras die musikalische Untermalung komponiert. Das alles fließt nun befreit in sein Soloalbum; Songs, die Jahre darauf warteten, gespielt zu werden. Früher gab es oft bis zu fünf Stunden lange Soundchecks bei Dead Can Dance – Perry ist also auch Perfektionist.
„Ich wollte doch nur alle Möglichkeiten mittlerer Katastrophen ausschließen. Manchmal konnten wir so Tieferes im Zuhörer wecken. In magischen Momenten gelang es uns, die Kostümierung billigen Entertainments abzustreifen. Heute bin ich da jedoch weniger pingelig.“
Seit 1996 sind DCD Legende, aber die Toten tanzen weiter. Lisa Gerrard hat bereits zwei Solowerke produziert, und der Zen-Bogenschütze Brendan Perry singt allein wesentlich beherzter, erinnert natürlich an Buckley, oft aber auch an den Fischer-Diskau des Pop, Scott Walker. Erhaben eben, doch er beteuert: „Ich war noch nie so bodenständig wie jetzt mit meiner Freundin und unserer kleinen Tochter. Vor 20 Jahren träumte ich in Australien von der großen Karriere. Jetzt finde ich es wesentlich aufregender, vielleicht mal einen Planeten zu entdecken. Was ist dagegen schon ein Rockstar? – Den Stern, der dann vielleicht meinen Namen trägt, kann man noch in 30 Mio. Jahren sehen.“