Nach sieben Jahren des unfreiwilligen Schweigens erhebt Soul-Crooner Isaac Hayes wieder seine Stimme
Was wäre die Pop-Historie ohne ihre ironischen Wendungen: 1962 wurde ein 20jähriger High-School-Absolvent aus Covington/Tennessee mit einer Blues-Band unter der schönen Hausnummer „Sir Calvin Valentine And His Swinging Cats“ bei Stax-Boß Jim Stewart vorstellig. Und abgelehnt. Erst zwei Jahre später sollte Isaac Hayes reüssieren – als Booker T.-Ersatz bei einer Otis Redding-Session.
30 Jahre später darf der glatzköpfige Hüne sein Platten-Comeback nach über sieben Jahren ausgerechnet beim Blues-Label Pointblank feiern. Dazwischen liegen unsterbliche Soul-Hits („Hold On! I’m Comin'“), eine musikalische Blaupause für Generationen symphonisch gesinnter Schlafzimmer-Funkateers („Hot Buttered Soul“), der vielleicht einflußreichste Soundtrack aller Zeiten („Shaft“), zwei gefloppte Alben („U-Turn“ und „Love Attacke“ bei einer Firma, die gerade an den Multi aus Japan verscherbelt wurde. Es sei, so Hayes, „keine angenehme Situation bei Columbia“ gewesen, zumal er sich bei “ U-Turn “ (1986) auch noch mit Co-Produzenten herumschlagen mußte, die ihm vor die Nase gesetzt wurden. Und die durchaus „demütigende“ (Hayes) Frage geschichtsloser A&R-Strategen, die von ihm wissen wollten, was er „denn so gemacht“ habe „in den letzten Jahren“. Hayes: „Sie wollten tatsächlich ein Demo von mir! Und dabei kannten sie meinen Background gar nicht.“
Wen wundert’s, daß sich Hayes vorübergehend lieber ganz auf seine Schauspielkünste (etwa in „Escape From New York“) zurückzog. „Branded“, sein Pointblank-Debüt, erweist Isaac Hayes jetzt als marktbewußten Fortschreiber der eigenen Legende. Eine erstaunlich schlüssige Bearbeitung von Stings „Fragile soll ihn bei der weißen Öko-Crowd hoffähig machen, während Rap-Gast Chuck D. (Hayes: „Wir respektieren uns“) in der Neuauflage des vielgesampelten „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“ die Bodenhaftung bei den HipHop-Kids sichert. Den Public Enemy-Chef hatte Hayes bei einem gemeinsamen Engagement ausgerechnet in Ghana kennengelernt: „Ich schätze seine Anstrengungen mit Public Enemy.“ Erstmals seit über 20 Jahren schrieb Hayes auch wieder einen Song („Thanks To The Fool“) mit seinem alten Stax-Partner David Porter. Das sei „wie Fahrradfahren“ gewesen – „einmal aufgestiegen, kehrte alles wieder zurück“.
Porter und der neue schwarze Bürgermeister Doctor Harrington waren es auch, die ihn zur Rückkehr an den Mississippi drängten. Der Amtsträger nahm ihn gar in einer öffentlichen Rede in die Pflicht. Vom erblühenden Atlanta aus hatte Hayes zuvor den Niedergang der Musik-Metropole Memphis immer wieder scharf kritisiert, die unter „weißem Rassismus und schwarzer Apathie“ dahinsiecht. Bis er „das Reden leid“ war. Die „verdammt talentierten Leute“, die bisher in den Exodus getrieben wurden, sollen nun schon bald auf seinem reaktivierten Hot Buttered Soul-Label eine künstlerische Heimat finden können.
Als moralische Obligation eines (fast) verlorenen Sohnes, der etwas von dem zurückgibt, was er einst nahm, mag Isaac Hayes seine Rückkehr nach Memphis allerdings nicht verstehen. „Nein, denn die Stadt hat mir nicht wirklich viel gegeben. Elvis, AI Green, Willie Mitchell und wir damals bei Stax haben Memphis auf die musikalische Landkarte gebracht. Und was hat Memphis für uns getan? Als die Musik-Industrie den Bach runterging, haben die Verantwortlichen damals nur beim Sterben zugeschaut, weil sie nicht erkannten, welchen Wert die Musik auch für sie haben könnte. Bis die Stadt selbst auch starb. Memphis nennt sich stolz das Verteilungszentrum des Landes. Aber es muß mehr als das sein – und es kann auch mehr sein als das.“