Nach schwacher siebter: Ist die achte Staffel „Game Of Thrones“ noch zu retten? Sechs Kritikpunkte
Eine zu offensichtliche Liebesgeschichte, schwache Monster, Überschallgeschwindigkeiten und Bauernopfer: Season sieben von „GoT“ erinnerte bisweilen an feinstes Trash-TV aus den 1990er-Jahren. Vorschläge von ROLLING STONE, was in der finalen Staffel anders laufen muss.
ROLLING STONE hat’s schon mit der sechsten Staffel gewusst, immer mehr Medien und Fans ziehen nach: Ohne Buchvorlage ist „Game Of Thrones“ nicht mehr ganz so viel wert. Season sieben war sogar unfreiwillig lustig. In der Nacht auf Montag läuft das Season-Finale. ROLLING STONE macht sich jetzt schon Sorgen.
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Sechs Kritikpunkte zum bisherigen Staffelverlauf :
01. Warum sind Tyrion, Jaime, Varys und Baelish so schlapp geworden?
Tyrion ist jetzt Chefberater der Khaleesi. Das macht ihn so langweilig wie Steinmeier. Es muss ja nicht darum gehen, dass seine letzten Angriffspläne (Casterly Rock, Zombie-Kidnapping jenseits der Mauer) nicht vollends gelangen. Tyrion ist ja gut, sobald er Fehler macht. Aber der Zwerg kann sich eben auch nur dann entfalten, wenn er um sein Überleben kämpfen, tricksen, verhandeln muss. Nicht dem Menschen, der auf einem Thron sitzt, ohne Angst dient.
Selbst, wenn er sich betrinkt, wird da nichts Lustiges mehr draus. Der Tiefpunkt fand bereits in Staffel sechs statt, als er und „Spinne“ Varys sich die Wartezeit auf Daenerys mit Witzeerzählen vertreiben wollten.
Aber auch ein anderer Faden aus der vergangenen Season wurde nicht weitergesponnen: Tyrion hat sich verliebt in die Königin – das hätte noch mal, gerade weil Ser Jorah zurückkehrte, Potential haben können.
Auch Varys und Lord „Kleinfinger“ Baelish, einst die größten Intriganten von Westeros, arbeiten nur noch als Taschenspieler. Kleinfinger schaffte es einst, Sansa aus dem Hause Lennister zu entführen, Varys rettete Tyrion vor der Hinrichtung. Und nun? Der eine kramt alte Briefe raus um Zoff zwischen den Stark-Schwestern zu provozieren. Der andere steht mit seiner Kaffeetasse im Bild herum und zankt mit der Hexe Melisandre, weil die ihn auf seine fehlende Männlichkeit anspricht.
Dass Varys unter seiner Kastration leidet, ist sicher wichtig, um ihn zu verstehen. Der Eunuch wird damit auch ständig aufgezogen. Nur wurde die Kastration noch kein einziges Mal dafür verwendet, um Varys’ Verachtung für seine Mitmenschen zu erklären.
Jaime Lennister, das war der „Königsmörder“ und ein Mann, der ungestört mit seiner Schwester schlafen wollte – als Bran Stark ihn dabei erwischte, flog der halt aus dem Fenster, der Junge ist seitdem querschnittsgelähmt. Wer „Game Of Thrones“ erstmals in Season sechs einschaltete, muss den Bruder der Königin nun für den edelsten Ritter von Westeros halten. Charakter-Veränderungen sind essentiell, aber falls Jaime am Ende der Saga als lupenreiner Melancholiker sterben sollte, womöglich durch die Hände seiner machtgierigen Schwester Cersei „Betrüge mich nie wieder!“ Lennister, würde hier zumindest die Chance einer Pointe verpasst werden.
Als Olenna Tyrell Jaime triumphierend erzählt, dass sie für den Tod seines Sohns verantwortlich ist, stürmt er nur aus dem Zimmer. Der frühere Jaime hätte die alte Frau, ob sie nun sowieso an Gift sterben würde oder nicht, nach diesem Geständnis mit seiner Blechfaust erschlagen.
02. Aus dem Dreikampf muss mindestens ein Vierkampf werden
Aus dem großen „Game“ wurde ein recht überschaubares „Game“. Stannis Baratheon ist tot, der unangenehme Love-To-Hate-You-Bolton, jene Quasi-Cartoon-Ramsay, hat man den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Man darf den Drehb(a)uchtoren ruhig Sinn für Gemütlichkeit unterstellen, nachdem sie jetzt auch noch die Martells und die Greyjoys quasi ausschalteten. Die Wüstenwitwe, aber auch die Wikinger haben sich den Lennisters oder den Targaryens angeschlossen und sind danach mehr oder weniger untergegangen (dass Cersei eine der „Sandschlangen“ auf die gleiche Weise tötet, wie ihre eigene Tochter von ihnen getötet wurde, ist einfallslos – auf Retourkutschen wurde sonst in der Serie immer aus gutem Grund verzichtet).
Schafft Dany es?
Kommt dann noch Jon Snows unerwartet hastiger Kniefall vor der Khaleesi hinzu, gibt es am Ende nur noch drei Parteien, die auf dem Eisernen Thron Platz nehmen wollen:
Lennisters, Targaryens, Weiße Wanderer. Und das ist dann nicht mehr ganz so aufregend. Denn welcher Zuschauer will am Ende schon den Night King oder Cersei dort sitzen sehen? Es gibt bei „Game Of Thrones“ abgesehen von Daenerys also keine positive Identifikationsfigur für die Regentschaft mehr.
Einst lautete die spannende Frage: Wer schafft es? Daraus ist nun eine langweilige Frage geworden: Schafft SIE es? Bei lediglich sechs ausstehenden Folgen für Staffel acht ist zumindest nicht mehr davon auszugehen, dass neue Fronten eröffnet werden.
03. Schwache Monster
Was haben die Westerosi vor den Weißen Wanderern gezittert. Aber wie wir schon mit Erstaunen feststellten: Die Klapper-Zombies sind im Zweikampf ziemliche Nieten. Sechs Menschen allein haben fast eine ganze Armee von ihnen fertig gemacht. Würden die Untoten nicht über Anti-Drachen-Speere verfügen, die Verteidigung der Mauer wäre ein Klacks.
Hier zeigt sich eine Schwäche, die die „GoT“-Macher mit den „The Walking Dead“-Machern teilen: Ihre Kreaturen sind nur so lange bedrohlich, wie es der Action-Szene oder einem Spannungsaufbau nützt. Ebenso wenig wie die Zombies in der AMC-Serie sind die Weißen Wanderer konsistent schwach oder stark.
Manch einer würde das vielleicht als „story-driven“ bezeichnen. In Wirklichkeit ist das Betrug am Ausgangsmaterial.
04. Nutzlos gewordene Helden aus der zweiten Reihe
Mit ihrem „Ich habe einen Eid geschworen!“ hat Brienne von Tarth fast schon traurige Berühmtheit erlangt. Das war aber okay, solange sie ihre Mission zu erfüllen hatte. Seit Araya und Sansa zurück in Winterfell sind, steht die Riesin in der Ecke herum. Sechs Folgen lang zwar im Team, sechs Folgen lang aber nutzlos. Verschwendung einer großartigen Figur.
Gleiches mit Theon Greyjoy: Das Katz-und-Maus-Spiel mit Ramsay Bolton war für Zuschauer ein fast schon masochistischer Genuss, aber seit der Peiniger tot ist (Theon wurde es verwehrt, diese Zerfleischung mitzuerleben – auch hier blieb Erzählpotential ungenutzt), flüchtet „Stinker“ nur noch von Deck zu Deck und von Strand zu Strand. Er ist ein Lügner, aber kein Betrüger mehr. Verschwendung einer großartigen Figur.
Anti-Schuppen-Kur
Der traurigste Fall ist Ser Jorah Mormont. Ihn haben die Autoren ganz einfach im Kreis laufen lassen. Seine Odyssee über mehr als eine Staffel und durch mehrere Staaten ergibt keinen Sinn, weil an ihrem Ende lediglich ein erneuter Treuebeweis zur Khaleesi steht. Der Mann, der seine Königin ausspionieren sollte und sich dann in sie verliebte, ist jetzt wieder im inneren Zirkel angekommen. Die Läuterung hatten die Zuschauer ihm aber längst abgenommen.
Der verbannte Mormont wollte seinen Fehler gut machen, holte sich Zwerg Tyrion um ihn zur Königin zu bringen und infizierte sich auf dem Weg mit einer Krankheit, die ihn langsam zu einer Art Steinbeißer werden ließe. Er reitet nach seiner Begnadigung wieder davon und wird in einem Kloster von seinen Grauschuppen geheilt. Wenig später schon kämpft er in der Eiswüste gegen den Night King.
Jorahs langwierige Unternehmungen dienten jedoch nur zwei Erkenntnissen: Er liebt seine Königin und würde alles für sie tun. Und: Sein Wunderheiler Sam ist belesen und kommt einfach auf tolle Ideen. Dass Jorah überleben würde, wurde aber ziemlich schnell klar. Denn eines gibt es bei „GoT“ gar nicht: in die Länge gestreckte Sterbensprozesse. Mit „der Weg ist das Ziel“ hat das auch nichts zu tun. Die Aufrichtigkeit Mormonts stand für die Khaleesi spätestens dann fest, als er ihr, in der Rolle eines Gladiatoren, in der „Attack Of The Clones“-Arena das Leben rettete.
Die Autoren wissen bislang nicht, wie sie die fast übermenschlich erscheinenden Gefühle des Ser für seine Königin nutzen können, so, dass es auch der Erzählung etwas bringt. Zum Beispiel, indem er für sie stirbt. Dafür ist es nun zu spät. Verschwendung einer großartigen Figur.
05. Bauernopfer
„Game Of Thrones“ hat das Image, besonders gnadenlos mit Hauptfiguren umzuspringen. Sie können unerwartet das Zeitliche segnen. Das machte die Serie, dank der Romanvorlage George R.R. Martins, populär. Davon ist aber nicht viel übrig geblieben. Wie lange ist es her, dass ein Tod schockiert hat – und die Handlung vorantrieb, weil Rache für die Hinterbliebenen zum Motor wurde?
Der Tod Eddard Starks in Staffel eins zerriss die Familie. Spätestens, als auch noch Catelyn und Robb Stark umgebracht wurden, setzten bei Arya und Sansa Entwicklungen ein, von denen beide heute noch profitieren: nicht wütende, sondern planvolle Rache auszüben, deren Umsetzung nun mal etwas dauert.
Thoros und Benjen, okay …
Und seit dieser Staffel? Wessen Ermordung hat uns mitgerissen? Es werden ja sogar Figuren aus der Versenkung geholt, nur um die Kill Quote aufrechtzuerhalten. Die Sandschlangen, nach langer Sendepause kurz wieder aufgepoppt – gleich darauf getötet.
Thoros und Benjen Stark? Längst vergessen gewesen. Aber irgendjemanden aus einer Gruppe, die kleiner ist als zehn Menschen, müssen die Weißen Wanderer ja töten. Und dann kommt da wie aus dem Nichts der Retter Jons angeritten … und darf dann gleich wieder zum Abschied winken.
Bemerkenswert war die Hinrichtung von Randyll Tarly, den viele vielleicht gar nicht mehr erkannt hätten, hätte HBO nicht im „Was bisher geschah“ darauf hingewiesen, dass er der miese Vater von Sam ist. Auch Sams Bruder Dickon wird von Daenerys‘ Drachen verbrannt. Vielleicht kommt da noch was: Sam erfährt von der Hinrichtung, wird wütend auf Daenerys, Ser Jorah springt ihr zur Seite, wird aber gleichzeitig daran erinnert, dass Sam ihm das Leben rettete …
Welchen Nachhall das Ableben von Hauptfiguren haben kann, zeigt auch der Fall Joffrey. Der ist schon so lange tot. Jack Gleeson spielte den psychopathischen Kindskönig aber derart überzeugend, dass Fans ihm vier Staffeln später noch hinterhertrauern. Er bleibt im Netz der Meme-King unter den „Game Of Thrones“-Leuten. Gleesons Joffrey ist vielleicht der einzige Charakter, der in der Serie noch besser war als in den Romanen.
06. Liebe in Lichtgeschwindigkeit
Womöglich haben die „Game Of Thrones“-Autoren nicht damit gerechnet, dass wirklich jedem Zuschauer dies auffallen könnte: Seit Staffel sieben werden die Entfernungen in Westeros extrem schnell zurückgelegt. Der Kontinent scheint zur Größe des Saarlands geschrumpft zu sein. Das führt zu schnelleren Ergebnissen, gerade im Kampf, wenn die Khaleesi innerhalb von Stunden von Dragonstone ins Jenseitsgebiet der Mauer gelangt um die Zombie-Armeen zu schlagen.
Schnellere Lösungen sind aber nicht immer glaubhafter. Das einstige Kidnapping Tyrions oder der Gefangenentransport Jaimes waren ja auch deshalb nicht erschöpfend, sondern spannend, weil man nicht wusste, ob sie es überhaupt ans Ziel schaffen können.
Mit dem neuen Transport-Tempo verlieren auch die Weißen Wanderer an Bedrohlichkeit. Denn, wie Jon Snow es vorgemacht hat: Sollten die Untoten die Mauer durchbrechen, ist man mit dem Boot blitzschnell am anderen Ende der Welt, fürs Erste gerettet. Garantierte Verschnaufpause. Dass die „GoT“-Regisseure mittlerweile etwas dünnhäutig auf das Thema Überschall in Westeros reagieren und davon sprechen, dass das angezogene Tempo „egal“ sei, macht es auch nicht besser.
Vorschlag: Den Vorspann, der die weit entfernten Königshäuser in einer Modell-Landschaft zeigt, zwar so belassen. Aber die Kamerageschwindigkeit, mit dem die verschiedenen Reiche abgefahren werden, deutlich erhöhen.
Er hat sie lieb
Aber nicht nur die Reisegeschwindigkeit, auch die Gefühlsgeschwindigkeit wurde deutlich erhöht. Königin Daenerys ist gegenüber Jon wieder zum Mädchen geworden („Dany hat mich schon lange keiner mehr genannt“). Ebenso wenig nachvollziehbar ist Jons Verzicht auf den Thron. „Dany“ hat ihn und seine Gefährten zwar aus den Klauen der Wanderer befreit und dafür in Kauf genommen, dass ihren Drachen und natürlich ihr selbst etwas zustößt. Aber ein Thron-Anwärter tritt doch nicht zugunsten der Retterin zurück, weil er gerettet wird. Er bietet der Retterin stattdessen einen verbesserten Posten an. Man tritt nur zurück, wenn man den eigenen Ansprüchen oder denen anderer nicht gerecht wird. Und Jon hat nicht versagt.
Aber Daenerys und Jon sollen halt ein Liebespaar werden. Das geht aber nicht, wenn beide um die Krone kämpfen. An deren Beziehung dürfte nun kaum zu rütteln sein. Jon hält sein Wort, er wird ihr dienen.
Oder, wie er zuvor in bester Klischee-Prosa sagte: „Here I am, a Northern Fool!“