Nach persönlichen Krisen und dem Ausstieg bei Blur steht GRAHAM COXON vor dem Neuanfang
Leicht gebückter Gang, riesige Kopfhörer, darunter eine rote Schirmmütze, auf der „Playboy“ und eine Telefonnumer steht, eine gelb-getönte Hornbrille, ein blau-gelbes Karohemd und Bollerjeans – so latscht Graham Coxon durch den Londoner Stadtteil Camden. Er ist auf dem Weg zum Interview in seinem Lieblingspub und äußerst gut gelaunt, was man nach den Ereignissen der letzten Monate gar nicht glauben mag: zu viel Alkohol, Trennung von der Mutter seiner Tochter Pepper, dann Entziehungskur. Und, kaum trocken, gab’s dann auch noch Probleme mit den Bandkollegen von Blur, die mit einem aufsässigen, nüchternen Coxon noch weniger anfangen konnten als mit einem betrunken, aber immerhin ruhig in der Ecke lungernden. Doch Blur sind beim Interview tabu – sagt das Management. Also gut.
Graham Coxon ist so gut gelaunt, weil er am nächsten Tag ein paar Möbel in sein neues Haus in Kent räumen kann. Er will weg aus der Stadt, raus aufs Land, sich morgens von der aufgehenden Sonne wecken lassen. Daher heißt das neue, mittlerweile vierte Soloalbum auch „The Kiss Of Morning“. Tochter und Kindsmutter kommen mit.
Ausstieg aus der Band, verschrobene Solo-Aufnahmen, Exil auf dem Land, – das klingt schon sehr nach Coxons großem Vorbild Syd Barrert. Müssen wir befürchten, dass er es seinem Vorbild gleichtut und ganz aussteigt? „Nein. Ich will schon weiter Musik machen. Aber das Bandleben hat aufgehört, Spaß zu machen – und ich bin momentan nicht bereit, irgendwen in meine Welt zu lassen. Das wird sich aber bestimmt ändern, auf dem neuen Album hab ich ja schon wieder ein bisschen mit anderen Musikern zusammengearbeitet.“
Das Bandleben hat aufgehört, Spaß zu machen. Das Stichwort. Dranbleiben. Warum? „Wir sind halt sehr verschieden. Nimm zum Beispiel das letzte Blur-Album. Die Songs über Damons Trennung von seiner Freundin. Da hat er sich hinter Worten versteckt, die Songs waren professionell, aber auch sehr unehrlich. Mein neues Album ist dagegen geradeheraus, und ich nenne meine Probleme ganz offen. Das ist etwas, das ich in den letzten Monaten gelernt habe – und das Damon noch lernen muss.“
Ist „The Kiss Of Morning“ also der Beginn seiner Solokarriere, während die drei Vorgänger-Alben Nebenaktivitäten des Blur-Gitarristen waren? Ja (lacht). Kann man wohl so sagen. Obwohl ich nicht von einer SoloWriere sprechen möchte. Ein paar Songs aufnehmen, Konzerte -ja, aber nicht mehr im großen Stil.“ Sagt’s, hängt sich seinen Discman um den Bauch, setzt seine Mütze auf und geht ab. Möbel packen.