Nach Krautrock hob die Neue Deutsche Welle mit Bands wie Fehlfarben oder Trio zu einer kurzen, seltsamen Blütezeit an
Man tanzte recht seltsam damals: Hüpfte ständig von einem Fuß auf den anderen und riß dabei abwechselnd das rechte oder das linke Knie diagonal in die Höhe, möglichst bis zur gegenüberliegenden Achselhöhe. Damit man dabei nicht umfiel, mußten auch die Arme mitgerissen werden – so’n bißchen sah das immer noch nach Pogo aus. Und natürlich war die Neue Deutsche Welle bei den Wiederaufbauten aus jenem Scherbenhaufen entstanden, den Punk angerichtet hatte. Ratzfatz sämtliche Konventionen zertrümmern – dazu benötigten die Sex Pistols nicht keine Konzertgitarristen-Ausbildung und die NDW danach kein Buch über Tiefenpsychologie. Musikalisch – 76 war 1981 dann doch lange vorbei – ließen sich diese Wellenreiter eher vom computertackernden New Wave inspirieren. Und übernahm sogar dessen Namen.
Daß die Neue Deutsche Welle auch im ernsten Feuilleton so viele Sympathien genoß, lag aber vor allem am musikhistorischen Koordinatensystem, in das sie eingebettet wurde. Denn seit der syntaktisch auffallend ähnlichen Verbal-Akrobatie der Weimarer Republik-Schlager (die von den Nazis als „entartet“ attackiert wurden) traute sich Pop erstmals wieder deutsche Texte zu. Damit schuf die NDW nicht nur eine wie auch immer geartete Aufwertung der native tongue (von der alsbald Musiker wie Grönemeyer, Kunze und Westernhagen profitieren sollten), sondern gleichzeitig eine Neudefinition des deutschen im internationalen Pop. Jahre zuvor hatten Bands wie Can, Kraftwerk oderAmonDüul das anglo-amerikanisch besetzte Terrain bereits hinter sich gelassen und deutsche Identität gesucht – ohne im Volk Anklang zu finden. Daher wurde die NDW als musikalischer Hoffnungsträger begrüßt. „Ich möchte ein Eisbär sein!“ hat trotzdem mehr mit „Mein kleiner grüner Kaktus“ gemeinsam als mit „Archangel’s Thunderbird“.
Einige der NDW-Bands bezogen sich auch ganz offen auf ihre Vorbilder: Extrabreit zum Beispiel, die Hans Albers‘ „Flieger, grüß mir die Sonne“ in die Mangel nahmen. Oder die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, die „Ich bin die fesche Lola“ von der Dietrich coverten. DAF, im Kern ein spanisch-stämmiger Antifaschist und ein Punk aus Düsseldorf, bildeten mit Bands wie Der Plan oder Fehlfarben die ernste, avantgardistische Seite der Neuen Deutschen Welle. DAF sangen „Tanz den Adolf Hitler“, bezeichneten das als Entmystifizierung des Faschismus und mußten sich trotzdem Neonazis auf Konzerten gefallen lassen, die das anders verstanden hatten. Fehlfarben dagegen veröffentlichten mit „Monarchie und Alltag“ 1980 „das beste Buch des Jahres“ (Peter Glaser) – und stifteten Hausbesetzern und NATO-Nachrüstungsdemonstranten die ultimative Hymne eines Sommers: „Es geht voran!“
Noch vor Spliff und Ideal waren die Fehlfarben die erste Kultband der NDW- Ritter der Düsternis, die gegen Goldene Reiter vom Schlage eines Joachim Witt ins Feld zogen. Das waren die anderen, die auf dieser Welle mitschwammen und mitkassierten: Nena. Hubert K. Spider Murphy Gang. Peter Schilling. Masarati-Markus. Fräulein Menke. Und hunderte andere.
Und dann waren da noch Trio. Trio, die mit ihren Auftauchen in der NDW-Szene den Dilettantismus als Methode manifestierten. Trio, die Pop-Dadaisten. Trio, die Jandl-Jünger: „Da da da“, „Bum Bum“, „Turaturaturalu“ und ein lockeres „Bye-Bye“, das auch als „Buy! Buy!“ verstanden werden konnte. Und Trio, die es als einzige Nicht-Amerikaner auf einem Sampler von Yoko Ono geschafft haben. Was aber auch daran gelegen haben mag, daß „Da da da“ jandlmässig sehr schön zu Yo-ko O-no paßte.