Nach Kiss gibt es auch DIE ÄRZTE als Comicfiguren: Zeichner und Musiker verknüpfen verstärkt die Parallelen ihrer Genres
Comics und Popmusik – das ist, um mit deutschen Dichtern zu sprechen, „ein weites Feld“. Denn es gibt nicht nur zahlreiche Zeichner, die auch Musik machen (wie etwa Altmeister Robert Crumb), sondern so manchen Musiker, der immer wieder zu Papier und Stift greift.
Hierzulande war Klaus Cornfield, Kopf der Band Throw That Beat, einer der ersten Musiker, der das aufregende Leben vor, auf und vor allem hinter der Bühne in Comics festhielt. Heute, nach der Auflösung seiner Band, produziert er neben seinen Solo-Alben regelmäßig Comic-Hefte und hat sich in beiden Szenen einen guten Namen gemacht. In seinem neuesten, noch nicht veröffentlichten Projekt wird wiederum Musik die Hauptrolle spielen. Diesmal die der Punk-Veteranen The Bates, deren Exzesse Material für ein Dutzend Alben liefern würden.
Zwischen Musik und Comics pendelt auch Frans Stummer. Der Frontman seiner eigenen Combo Sound of One Hand gehört zum Urgestein der deutschen Underground-Comix und hat nun einen Comic über Die Arzte entworfen. Er war Hauszeichner von U-COMIX, wo er Trash-Perlen unter dem Titel „Mars Needs Movies“ veröffentlicht hat Für die Arzte war es ein glücklicher Umstand, genau an diesen Zeichner geraten zu sein, denn die abstrusen, abgedrehten und völlig absurden Comix, die Frans ihnen angedichtet oder besser angezeichnet hat, könnten für die notwendige Image-Korrektur der Band sorgen, die sonst – so befürchten manche – irgendwann doch in den seichten Untiefen des großen Pop Sumpfes versinken könnte.
Wäre da nicht der Verlag, der dieses fast geniale Bilderwerk herausbringt: Ehapa, die Heimat von Asterix und der Micky Maus-Familie. Doch die Ärzte sind nicht Disneykompatibel geworden … Denn wichtiger als Image und Label sind allemal ihre Inhalte – und von denen kann die Flut halbtalentierter Gagschreiber, die für die stumpfdeutsche Fröhlichkeit in Form von „Comedy“ verantwortlich sind, eine Menge lernen. Dies trifft nach der unmaßgeblichen Meinung des Autors nicht nur auf den Ärzte-Comic, sondern eingeschränkt auch auf die neue Platte des Trios zu, die nach dem weniger gelungenen Ausflug zu den Friseuren wieder richtig rund und gut läuft.
Der Sprung von den Ärzten zu den Comic-Rockern schlechthin – wir sprechen von Kiss – ist nach den gemeinsamen Open-air-Auftritten im vergangenen Jahr nur ein kleiner Schritt für den Leser, aber ein großer für die Musikwelt. Schon in den Achtzigern gab es bei dem legendären amerikanischen Superhelden-Label Marvel erste Comics mit Kiss. Die werden von den Heften, die heute bei Image verlegt werden, jedoch weit in den Schatten gestellt. Sogar Gwar – diese direkt aus einem Paralleluniversum der Comix ausgespuckten Gestalten – belästigen uns nicht nur mit ihren Bühnenshows, sondern auch mit eigenen Schmutz- und Schundheftchen.
Lange Zeit wurde die Schnittmenge Comic und Musik nur im Bereich der Illustration von Plattencovern gesehen. Die zahllosen Comic-Cover, angefangen bei Robert Crumbs Arbeiten für Janis Joplin bis zu der Kooperation zwischen Iggy Pop und Charles Burns, sind ein so beeindruckendes Kapitel, daß allein diesem Aspekt bereits Ausstellungen und Bücher gewidmet wurden. Doch wirklich interessant wird es dort, wo Comics und Musik in gemeinsamen Projekten gleichberechtigt verbunden werden.
Wie die als Comic umgesetzte Platte „Lurut Hotel“ vom Schweizer Gitarristen, Sänger und Zeichner Andrea Capraz und seiner Band Jellyfish Kiss. Unvergessen ist der einmalige Auftritt von Capraz während des Erlanger Comic-Salons 1990: Eine Diashow mit Bildern aus Massimo Mattiolis Story „Squeak the Mouse“ und Musik bildeten eine perfekte Einheit.
Immer wieder greifen Comics Musik-Themen auf, wie etwa Guido Siebers „Stardust“ oder das Album „Die Suche nach dem Ultimate Mix“ von Filips. In letzterem Band geht es um Funk und Rap. Als vor wenigen Jahren ein Adventure Game auf der Basis dieses Comics entwickelt wurde, gelang es dem für die Musik verantwortlichen Produzenten Axel Kroell, von Grandmaster Flash, Curtis Blow, Meile Mel bis Afrika Bambaataa die creme de la creme der Old School für den Soundtrack zu gewinnen, der auch als Audio-CD erschienen ist.
Die letzte sehr intensive Zusammenarbeit zwischen Musikern und Comic-Künstlern gab es im Herbst vergangenen Jahres, nachdem mehrere Buchläden und Comic-Verlage durchsucht und dabei Hefte von Ralf König und Walter Moers beschlagnahmt worden waren. Die Benefiz-Platte „Zensur!?“, mit einem von Ralf König gestaltetem Cover, enthält Songs von Tocotronic, Grönemeyer, Fischmob und natürlich den Ärzten. Davon ist jetzt noch eine Vierfach-Picture-Vinyl-Scheibe inklusive Comic herausgekommen, ein exquisites Sammlerstück, das nahezu alle Aspekte der Verbindung von Comics und Musik umfaßt.