Nach einem zeitweiligen Flirt mit dem Islam hat Reggae- Star Jimmy Cliff seinen Frieden mit Jamaika gemacht
Es ist dunkel geworden im Freilicht-Theater am Kalkberg zu Segeberg. Und empfindlich kalt – doch die Abendkühle scheint dem sanften Gentleman der ersten Reggae-GenerationJamaikas nichts anzuhaben. „Sobald ich in Nordeuropa bin, gehe ich in die Sauna. Dann fühle ich mich wie daheim nur mit dem einen gravierenden Unterschied: In Jamaika kriege ich keinen Kälteschock!“
Nach seinem Auftritt bei dem „Bob-Marley-Tribute“-Konzert hat Cliff lediglich Probleme, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden die Augen spielen nicht mehr so richtig mit. Doch das ist das einzige Manko, das der ansonsten jugendlich wirkende Sänger seinem Alter zuschreiben muß. „Solange ich ohne größere Probleme auch weiterhin auftreten kann, ist mir das ziemlich egal. Meine Arbeit ähnelt der eines Wissenschaftlers, der ständig nach neuen Herausforderungen und Zielen sucht. Und das hält mich jung.“
Und jung – er war noch Teenager – begann Cliff auch seine Karriere: Bei einem Nachwuchswettbewerb in Kingston debütierte er mit dem R&B-Song „Walking To New Orleans“ und gewann auf Anhieb den ersten Preis. Der Elder statesman des Reggae verfolgte von Anfang an alle Quellen, Stilrichtungen und Entwicklungsformen der Musik – und tut es noch heute. „Reggae war nie ein reiner Musikstil. Er hat sich permanent gewandelt und ist eine Art Spiegelbild der Entwicklungen in Jamaika.“
1962 nahmen Cliff und Bob Marley ihre ersten großen Hits auf. Es war auch das Jahr der Unabhängigkeit nach fast 300 Jahren britischer Kolonialherrschaft, und Reggae entwickelte sich sukzessiv zu mehr als nur netter Tanzmusik. Cliff, der erklärterweise nie Rasta war, wurde 1971 durch seine Hauptrolle in „The Harder They Come“ zum Filmhelden und Reggae-Superstar.
Gibt es in der jamaikanischen Musik von heute immer noch so griffige Messages wie „Don’t Take The Pie Up In The Sky“? „Gerade die jungen Leute wollen an etwas glauben, denn Religion hat die Menschen schon immer fasziniert. Man muß sie immer wieder darauf stoßen, warum sie denn erst sterben sollen, um endlich ein Stück vom großen Kuchen ergattern zu können. Die großen Religionen versprechen das Paradies im Jenseits. Warum aber nicht schon im Diesseits? Deshalb sollten wir immer darauf hinweisen: Liebt das Leben! Tagtäglich!“
Jimmy Cliff selbst hat mit verschiedenen Religionen geflirtet und seine karibische Gemeinde Mitte der 70er Jahre mit seinem Übertritt zum Islam schockiert. In der Folge verließ er für einige Jahre das Land. Doch nach Aufenthalten in Kalifornien und Brasilien lebt er heute wieder mit Familie in Jamaika – um dort zu bleiben: „Ohne Jamaika kann ich nicht mehr leben.“