Nach dem Sieg beim lokalen Bandwettbewerb spielten sich die Göttinger GUANO APES mit dynamischem Rock in die Charts
Es ist immer dasselbe triste Bild in deutschen Proberäumen: Bassist und Schlagzeuger streiten darüber, wer den Einsatz verpaßt hat, der Gitarrist programmiert an seinen Effektgeräten herum, während die Sängerin an ihren Nägeln kaut und sich ärgert, daß in ihrer Bierflasche wieder eine Zigarettenkippe schwimmt. Allen gemeinsam ist der Traum vom großen Durchbruch, meist bricht jedoch nur der Vermieter die Tür auf und kündigt fristlos – ein Schicksal vieler deutschen Band. Nicht so bei der vierköpfigen Göttinger Gitarrenrock-Gruppe Guano Apes.
Die Sängerin heißt Sandra, sie ist blond, schlank, 21 Jahre jung und hat doch eine ungewöhnliche erwachsene Stimme, ein Amalgam aus Kraft und Wut einer Patti Smith und der ziselierten Zickigkeit einer Nina Hagen. Naheliegende Vergleiche mit Gwen Stefani und Skin von Skunk Anansie adeln, nerven Sandra aber längst. „Wieso sagen alle ‚No Doubt‘, wenn sie mich sehen? Das kapiere ich nicht. Soll ich mir die Haare schwarz färben oder eine Glatze schneiden? Aber dann bin ich wieder die Skin.“ Ihre Mitmusiker heißen Poschwatta, Rümenapp und Ude und haben solche Nöte nicht, obwohl ihre ganz eigene Art, brachial-emotionalen Gitarrenrock mit gewaltigen Dynamik-Sprüngen zwischen brutal Geklopftem und fast zärtlich Gehauchtem zu spielen, wie die Schnittmenge ihrer Lieblingsbands klingt: Life Of Agony, Faith No More, Chili Peppers.
Jetzt „Crossover“ zu gähnen, wäre ungerecht. Das sahen 1996 auch die Juroren des von VIVA-TV und Radio ffn initiierten „Local Heroes“-Nachwuchsfestivals in Hannover so. Seither spielen sich Guano Apes in stetig größeren Clubs die Finger wund und ernten nun Chart-Ruhm: Nach ihrer Single „Open Your Eyes“ ging auch das Debütalbum „Proud Like A God“ in die Top Twenty. Ihr aktueller Titel „Lord Of The Boards“ wurde zum offiziellen Titelsong der Snowboard-Europameisterschaften ’98 im österreichischen Fieberbrunn – und im Sommer dürfen sie auf die Hauptbühne des „Bizarre“-Festivals.
Sie selbst machen sich nur wenig aus Boards, und auf den Brettern der Clubs fühlen sie sich auch wohler als im Studio. Ihre komplexen Kompositionsstrukturen entwickelten sie in einem umgebauten Heulager über dem Schweinestall eines Bauernhofes. Krautig klingen sie manchmal in ihrer Verfrickeltheit, aber immer interessant. Eine Musik, die in drei Jahren flüssig und stimmig wurde. „Mit Zwischentönen voll in die Fresse“, nennt das Gitarrist Henning Rümenapp und meint, daß man den Rummel um die Band mit der ureigenen Gelassenheit eines 22jährigen ertragen sollte: „Wir sind alle so jung und können immer noch studieren, wenn alles schiefgeht.“