Nach dem ersten Bier
HAMBURG, FABRIK.
Die Frau an seiner Seite war stets eine delikate Rolle. Allison Moorer indes hatte auch schon vor ihrer Ehe mit Steve Earle reichlich Solo-Format, das die coole Rotblonde trotz (?) rüschiger Blümchen-Bluse nun auch als Support beweist. Ob Standards von Patti Smith („Dancing Barefoot“) und Joni Mitchell („Both Sides Now“) wirklich ihr Bier sind, ist diskutabel. Ihr beim Pferdeflüsterer-Song „A Soft Place To Fall“ noch zögernd, aber dann immer voluminöser tremolierender Ako ist es nicht. Kaum warmgesungen, verabschiedet Moorer sich auch schon wieder, mit einer fein kontrollierten Version von Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“.
Und der Wechsel kommt. Der Gatte findet allerdings nur recht mühsam in seinen Set, hangelt sich an Klassikern von „Devil’s Right Hand“ bis „Someday“ entlang, kämpft dabei mit sich, seiner Stimme und einer Gitarre, die sich mehrfach selbst ausstöpselt. Ein zartes „Goodbye“, ein lässiger „South Nashville Blues“, ein konzentriertes „Billy Austin“ deuten gerade die Wende zum Besseren an – da startet die (kleine) Revolution. Zumindest für alle Fans, die ihren Steve nur so wollen, wie er immer schon war. Das Feindbild ist ruckzuck ausgemacht, in dem Mann mit Kopfhörer, der nun hinter zwei Plattenspielern flinke Finger spielen läßt und Songs wie „Tennessee Blues“ und Jericho Road“ in die DJ-Gegenwart katapultiert. „Oxycontin Blues“ – Earle jetzt am Banjo – funktioniert prächtig als Beatbox-Bluegrass, doch auch ältere Songs wie „C.C.K.M.P.“ und „Transcendental Blues“ erleben eine Renaissance als verhallte Tabla-Groover mit Guru-Glockenschlag. „I remember my first beer, too“, kontert Earle trocken die lautstark mosernden Konterrevolutionäre aus der Mitte des gut gefüllten Saales.
Er glaube immer noch, dass Lieder Kriege beenden könnten, so Earle, als er etwas redseliger wird. Was aber nur funktioniere, wenn man sie selber singe. Was für ein schnöder Showbiz-Trick, um das Volk bei „Pete’s Hammer“ zum Mitsingen zu animieren!
Zwischendurch kommt —- von „Sparkle & Shine“ angekündigt – natürlich noch der Auftritt des Paares mit dem Duett „Days Aren’t Long Enough“. Moorer bleibt noch, um in „City Of Immigrants“ bella figura zu machen und zweite Stimme zu singen. Bussi, Abgang. Earle geht erst nach einer weiteren Scratch-Attacke aus dem „Satellite Radio“ und „Down In The Hole“. In der Zugabe dürfen die Puristen, so sie noch zugegen sind, dann wieder durchatmen. Nach einer fast sakralen Townes-Hommage ist mit „Fort Worth Blues“ eigentlich alles gesagt. Doch Earle stapft noch über die „Copperhead Road“. Dabei wartet die Frau an seiner Seite bestimmt schon auf ihn. Und zu lange darf Mann diese Frau nicht warten lassen.