Na gut, Teleprompter (fast ein Radiohead-Albumtitel)

Eric Pfeil hat einen Teleprompter ersteigert, Sinatras Teleprompter. Und der kann sprechen und sagt Wahrheiten voraus. Zum Beispiel über Edward Snowden und Franz Ferdinand.


Eric Pfeils Pop-Tagebuch, neue Folge 8

Kürzlich erwarb ich bei einer Versteigerung Frank Sinatras Teleprompter. Ich hatte eigentlich gar kein Geld, aber bei so etwas sagt man natürlich nicht nein. Es war einigermaßen kompliziert, das sperrige Gerät nach Hause zu bekommen, zumal ich mit dem Fahrrad unterwegs war. Eine Zeitlang stand er nur nutzlos in der Wohnung rum.  Meine Familie hasste mich für meine Haltlosigkeit. „Erst schleppst Du das blöde Mofa an, das Jim Morrison angeblich in seiner Jugend gefahren hat, dann die doofe Samthose von Jimi Hendrix und jetzt dieser bescheuerte Teleprompter!“, rief mein alter Vater wutentbrannt aus seinem Ohrensessel. Und tatsächlich wusste das Ding erstmal nicht sonderlich zu punkten: Schaltete man ihn ein, spulte er die Texte zu „My Way“, „September Of My Years“ und all den anderen Stücken ab, die der späte Sinatra in seinem Repertoire hatte.  Ich fing schon an, mich über den ebenso kostspieligen wie raumgreifenden Erwerb zu ärgern, als ich eines Nachts feststellte, dass der Teleprompter magische Fähigkeiten hatte. Ich hörte ein Säuseln aus dem Zimmer, in dem ich all die ersteigerten Superstar-Sachen sammelte. Ich ging hinüber und fand den Teleprompter in eingeschaltetem Zustand vor. Mehr noch: Er sprach. Oder besser: Er wisperte.

 „Was soll das hier?“, fragte ich.

„Berechtigte Frage“, gab der Teleprompter zur Antwort „Es ist so: Ich bin nicht einfach nur ein Teleprompter, ich habe eine besondere Gabe: Ich sage unentwegt die Wahrheit. Du guckst übrigens gerade ausgesprochen dämlich.“

Man ist natürlich erstmal ein wenig perplex, wenn man nachts von Frank Sinatras altem Teleprompter vollgelabert wird. Nach ein paar Tagen aber wurde mir klar, dass sich hier eine große Chance bot, vor allem in Bezug auf meine Texte über Popmusik. Zwar erzählte mir der Teleprompter den ganzen Tag ungefragt allerhand Zeug, für das ich keine Verwendung hatte (Edward Snowden hält sich da und da auf, „Wetten, dass …?“ wird im Herbst abgesetzt, der Euro ist definitiv im Eimer, allerdings wird sich diese Meinung erst Ende 2014 zunehmend unter deutschen Politikern durchsetzen). Wirklich interessant waren aber seine Verlautbarungen zum Thema Popmusik.

Folgendes etwa verriet mir mein neuer Freund gestern Nachmittag: „Radiohead ist Quatsch. Die neue Daft-Punk-Platte ist völlig überschätzt und höchstens als „mittelmäßig“ einzustufen und der neue Franz-Ferdinand-Song ist das Ödeste, was in diesem Jahr veröffentlicht wurde“. Halt, Stop: Bevor jetzt wieder alle sauer auf mich sind – das ist zwar auch meine Meinung, zugegeben, aber gesagt hat es der Teleprompter. Ich kann ja nichts dafür, dass er immer die Wahrheit sagt.

Eben teilte mir der Teleprompter mit, dass mein dieswöchiger Kolumnentext sich einigermaßen wüst lese. Noch so eine Wahrheit. Vielleicht bekomme ich ja noch die Kurve, wenn ich selbst ein bisschen über Franz Ferdinand schreibe. Gibt es eigentlich jemanden, der die neue Single nicht beklemmend öde findet? Für mich klingt das wie Kiss, die einen Keyboarder mit Helge-Schneider-Orgel in ihre wohl gekleideten Reihen aufgenommen haben. Das liest sich jetzt womöglich reizvoller als es tatsächlich tönt. Der Titel der Single ist auch nicht eben glücklich gewählt: „Right Action“.

Wenn die echten Kiss hingegen einen kauzigen Organisten beschäftigten: Das würde von mir ausdrücklich beklatscht werden. Bands sind ja heute – nicht zuletzt Franz Ferdinand sei Dank – wieder so schrecklich homogen. In meiner Jugend gab es in jeder Band einen Typen, der eigentlich nicht reinpasste. So spielte in fast jeder Sixties-Garagen-Revival-Band der Achtziger mindestens einer mit, der gar nicht wusste, dass er Mitglied einer Sixties-Garagen-Revival-Band war und Vokuhila und/oder bonbonfarbene Jackets trug. Also, nicht mehrere gleichzeitig, immer nur eins. Aber so etwas wurde geduldet früher. Ein schönes Beispiel sind auch die frühen Pavement: Die hatten in ihren Anfangsjahren einen Schlagzeuger, der glaubte, er spiele bei Yes. Bei einem Konzert in Köln stand er vor dem Beginn am Einlass und verteilte an das hereinströmende Publikum selbstaufgeklaubte Laubblätter. Kein Witz! Moment, der Teleprompter meldet sich mit einer weiteren Wahrheit:

„Pfeil, wenn du nicht auch als Laubblattverteiler enden willst, solltest du jetzt lieber den Eintrag beenden.“ Na gut, Teleprompter.

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