Musikalischer Fünfjahresplan
In Großbritannien sind sie schon die neuen Helden, aber mit ihrer sinnesfrohen Musik wollen Toploader allerorten die Hüften kreisen lassen
Großbritannien sucht neue Helden. Nachdem Travis das angespannte Warten auf den neuen Messias für den Moment zur Entladung bringen konnten, schaut das Königreich der Popmusik nun auf seine Debütanten -Beispiel Toploader: Das Quintett aus Eastbourne verwirrt die Presse derzeit mit einem Rock/Popmonster, das sich den üblichen Schubladen erfolgreich erwehrt. Sind sie das next big thing? „Dieses Gerede ist unbedingt mit Vorsicht zu genießen“, gibt sich Sänger Joseph behutsam, „die britische Presse ist sehr untreu. Darauf kann man nicht bauen.“
Sehr wohl bauen wollen Toploader auf ihr Debütalbum „Onka’s Big Moka“, das hoch oben in den UK-Charts eingestiegen ist und der Band einen stürmischen Auftakt im nationalen Rockzirkus beschert hat Trommler Rob belegt mit unterdrückter Aufregung den lawinenartigen Publikumszuwachs seiner Band: „5000 bei Paul Weller, 20000 in Glastonbury, 40000 bei der anstehenden Tour mit Bon Jovi!“ Was klingen soll wie eine nüchterne Bilanz, ist freilich der sich bahnbrechende Stolz des frisch gebackenen Popstars. Kleine Brötchen sind das Ding der Eastbourner nicht „Wir wollten nie bloß ein paar Alben verkaufen“, erklärt Joseph, „es war immer klar, dass es darum geht, eine große Band zu werden.“ Wenn er die Stationen der eigenen Karriere erläutert, klingt das wie eine Art musikalischer Fünfjahresplan. Die nächste Hürde wird im Geist schon genommen. Der Himmel, so scheint’s, ist den Toploaders die einzige Grenze. „Ich erinnere mich gut an die Zeit, bevor wir einen Vertrag bekamen“, so Gitarrist Dan. „Ich bin morgens zu meinem Job gegangen und wusste genau, dass ich ihn nicht mehr lange machen würde.“
Tatsächlich haben Toploader einiges beizutragen zum britischen Pop nach Britpop: Quirlige, unbedingt kreative Verweise auf den Glam der frühen 70er Jahre und elektrisierter R&B, wie ihn Stevie Wonder einst betrieb, gehören bei dem begabten Quintett zum guten Ton und kontrastieren die bisweilen arg belämmerte Traurigkeit britischer Pop- und Rockmusik der Gegenwart.
„Neulich hat sich ein Mädchen nahe der Bühne oben frei gemacht“, erläutert Joseph die Vorteile sinnesfroher Musik, „und dann hat sie die Hüften kreisen lassen. Sowas hätte sie bei Radiohead wohl nicht gemacht, oder?“ Wohl nicht.