Musikalisch trennen sie Welten. Doch Lisa Germano und Ani DiFranco verbindet das Schicksal der Frau im Rockbiz
Gefühlsebene, Frauensache, zweimal verkorkste Beziehungen in all ihren Facetten. Lisa Germano und Ani DiFranco, zwei faszinierende Persönlichkeiten, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Sehr oft falsch verstanden, an sich selbst und anderen leidend; die eine, quirlig, lebendig und mit großer Klappe die andere. Personal stories aus dem unbequemen Blickwinkel, „…well, you know, girls stuff!“
Album für Album wird an der Umsetzung perfider Songideen gestrickt – allen Trends zum Trotz. Nur die eigene Befindlichkeit, der eigene Anspruch zählt, das Ergebnis ist unaffektiert, undressiert und geradezu verführerisch musikalisch. Lisa Germano zaubert und versteckt sich in filigranen, mysteriösen Soundcollagen, haucht oft mehr, ab daß sie singt, flüstert, summt, zelebriert. Wühlt in den Tiefen der Gefühle, bis sie auf blanke Knochen stößt Das Experiment Leben als Grundlage. Der Weg zur eigenständigen Musikerin ist lang und widrig. Vor allem für eine Frau wie Lisa Germano, der Selbstbestimmung und Souveränität als Eigenschaften erst einmal fremd waren.
Sie scheut sich nicht, über ihre Hilflosigkeit und ihre Rolle zu reflektieren, doch selbst diese Reflexion brauchte ihre Zeit Vorjahren spielte sie als Geigerin bei John Mellenkamp sowie Billy Joel und tourte mit den Simple Minds. Im kreativen Sinne verlief das eher frustrierend, also begann sie, ihre eigene Musik umzusetzen. Ob Therapie, Lebenskrise oder Identitätsuche immerhin hat es Lisa Germano bis heute auf vier Alben gebracht, die sich trotz all der Seelenzweifel als spielerisch bis regelrecht selbstironisch manifestieren.
„Als ich anfing, eigene Songs zu schreiben“, erklärt sie ohne große Umschweife, „merkte ich, wie verletzlich meine Musik ist. Ich möchte niemals den Eindruck von „hey I’m really cool and strong“ erwecken, sondern die Tiefe der Gefühle spürbar machen. Was sich hinter dem Spiegelbild befindet Deshalb glaube ich auch, daß meine Musik nur für bestimmte Personen funktionieren kann. Man muß diese Gefühle selbst kenne. Ich erwarte nicht, daß die Leute meine Platten tatsächlich mögen.“ Man mag sie aber doch. Denn das Faszinierende an Germanos magischem Realismus sind die leisen Melodienstränge, oft verfremdet durch seltsame Geräusche und allerlei atmosphärische Sprenkel. Ein akustischer Bilderreichtum bar jeder Penetranz. Effekte, Samples, eigenartige Stimmen beschwören die Lieblichkeit und Harmonie. Umso mehr irritieren die persönlichen Texte, die jegliche Schutzschichten abkratzen und manchmal gar in so mißverständlichen Passagen wie „I love it when you hurt me“ gipfeln.
Wo Lisa Germano mit kratzender Geige und nicht enden wollenden Klängen in märchenhafte Selbstauflösung gerät, läßt Ani DiFranco die Harmonien zum resoluten Beat antreten. Meist die Akustikgitarre bearbeitend, raspelt sie Worte wie Karotten durch die Reibe. Seelenreibe wohlgemerkt, auch bei ihr. Perkussiv, improvisiert, rasant und dynamisch ist ihre Musik.
„Ich würde mich selbst als Folksinger bezeichnen, aber das ist eher ein Scherz, denn ich habe natürlich meine eigene Version von Folkmusic. Folk- und Punkmusik im politischen Sinne, die schon aus Tradition keine kommerzielle Musik, sondern sehr direkt ist Nenn es ,sub-corperate music‘. Ich spiele eine akustische Gitarre, aber die Energie ist Punk.“
Als echtes Selfmade-Girl spielt die junge Kanadierin nicht nur die Gitarre, sondern auch den Großteil der weiteren Instrumente selbst ein. Auf Tour geht sie bisweilen nur von einem Schlagzeuger begleitet Ihre eigene Produzentin, Labelchefin und Managerin ist sie außerdem. Auf ihren bislang acht Alben – die aktuelle CD „Dilate“ findet sich endlich auch in unseren Plattenläden – politisiert die hartnäckige Frohnatur über gesellschaftliche Mißstände, die kleinen persönlichen Zwistigkeiten und die große Verweigerung. Zwischendurch lacht sie schallend über sich selbst, spuckt sarkastische Bemerkungen wie Kirschkerne durch die Gegend, räsoniert über Liebe und Liebesverlust. Ob Rebellin oder nettes Mädchen, ob charismatische Einzelkämpfenn oder wütender Irrwisch – bei Ani DiFranco brennt noch zuviel unter der Haut, als daß man es überhören könnte.