MUSIK ZUM LESEN

Hinter der Maske Paul Stanley ***

Am Anfang steht natürlich eine unglückliche Kindheit. Paul Stanley wurde ohne rechtes Ohr geboren, er fühlte sich schon als kleiner Junge wie ein Freak – man braucht keine psychologische Ausbildung, um zu verstehen, dass ihm die Maskerade gerade recht kam. Kiss hatten eine grandiose Idee und einige gute Songs, und damit wurden sie zu Recht weltberühmt. Schade ist nur, dass sich der Sänger in seiner Autobiografie trotz einiger Enthüllungen von Liebes- und Machtspielchen weiterhin so oft hinter Phrasen und Klischees versteckt. Sein Leben als Rock’n’Roll-Karikatur beschreibt er aus der Perspektive des Altersweisen, der angesichts seines jüngeren Ichs häufig den Kopf schüttelt, sich allerdings doch nicht zu wirklicher Selbstkritik oder gar Ironie aufraffen kann. Dafür bewundert er sich selbst zu sehr.

Wer zumindest über die Anfangsjahre doch gern noch weitere Meinungen hören möchte, kann sich an „Die Geschichte von Kiss“ (***) halten – eine „Oral History“ von Ken Sharp, der mit Stanley und Gene Simmons die frühen 70er-Jahre rekapituliert, aber auch die Ex-Bandmitglieder Ace Frehley und Peter Criss sowie Dutzende anderer Wegbegleiter zu Wort kommen lässt. Mehr als manch oberflächlicher Rüffel ist auch hier nicht zu hören. Aber wer hätte damit denn gerechnet? Jeglicher ernsthafter Einwand (Stumpfsinn, Illoyalität, Geldgier) prallt an dem Erfolgspaar schließlich seit mehr als 40 Jahren ab. Sie haben es doch geschafft, und in ihrer Welt zählt nur das. Wer sich selbst „die heißeste Band der Welt“ nennt, braucht keine kalte Dusche. (beide: Hannibal, 29,99 Euro)

BIRGIT FUSS

22 Strategien für die erfolgreiche Gründung einer Rockband Ian F. Svenonius ****

Für den Punk-Existenzialisten Svenonius ist der Rock’n’Roll eine zutiefst ambivalente Angelegenheit – aufreizender, den Kommunismus zu unterminierender Exportartikel des Kapitals einerseits, Motivator und Integrationskraft beim Anrennen gegen gesellschaftlichen Konformismus andererseits. Die Gründung einer Band gehört für ihn zu den „letzten edlen Gesten“ in einer durchkapitalisierten Gesellschaft. Er ruft die Geister der Verstorbenen (Brian Jones, Hendrix etc.) zu Hilfe und entwickelt in diesem kauzigen Pamphlet Strategien, wie die Band als kulturindustrieller „Abkömmling der Straßengang“ Erfolg haben kann. Was er zur internen Kommunikation, zum Promofoto, Bandnamen usw. zu sagen hat, ist mehr als komische Punk-Kulturkritik. (Metrolit, 18 Euro)

FRANK SCHÄFER

HipHop Family Tree Ed Piskor ****

Ed Piskor zeichnet im Webzine Boing Boing wöchentlich an einer Geschichte des HipHop. Er ist schon in den mittleren Achtzigern angekommen. Zudem sind seine Strips gesammelt in Buchform erschienen. Der erste Band, der nun in deutscher Übersetzung vorliegt, reicht von Kool DJ Hercs Partys in der South Bronx, Mitte der Siebziger, bis zur Mainstreamisierung des Genres, Anfang der Achtziger. Die mit Liebe zum Detail in 70s-Ästhetik gestalteten Panels atmen die Atmosphäre der Erzählzeit und sind sowohl eine Liebeserklärung an den HipHop und das Comicgenre. (Metrolit, 22,99 Euro)

MAIK BRÜGGEMEYER

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