Musik unter der Lupe
Mit der Reihe Pop/bsession versucht Arte, das Unfaßbare faßbar machen
Wer wissen will, wie Radio funktioniert, könnte auf die Idee kommen, die Plärrkiste aufzuschrauben, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen und alle, die schon mal am Knopf gedreht haben. zu bitten, ihre Meinung kundzutun und von Erfahrungen mit dem Ding zu reden. Ob man dann hinterher allerdings mehr über das Geheimnis des Radios weiß, darf angezweifelt werden. Ziemlich sicher steht am Schluß der Aktion die Erkenntnis, daß man zwar viel übers Radio geredet hat, letztlich dem geheimen Wesen des Mediums aber kaum nähergekommen ist. Der Mensch wird nämlich nicht zwingend klüger, wenn er etwas aus dem Zusammenhang reißt und solitär betrachtet, weil das Objekt der Betrachtung oft mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.
Mit genau diesem Problem sind nun auch die Macher der fünfteiligen Arte-Reihe „Pop/bsession“ (ab 28. Juli immer donnerstags nach 23 Uhr) konfrontiert. Die wollten gerne herausfinden, wie Musik im Spannungsfeld zwischen Pop und Obsession funktioniert. Deshalb legten die Forscher Strukturen frei und betrachten die Teile einzeln. Erst die Gitarre, dann die Keyboards vor den Drums und schließlich die DJ-Arbeit und den Gesang. Die Absicht der
Forscher ist ebenso löblich wie das Bemühen um Differenzierung, doch leider scheitert die Unternehmung, weil sich, das legt zumindest die Ansicht der ersten zwei Teile nahe, rasch der Eindruck verfestigt, daß letztlich nicht viel mehr geliefert wird als ein wirres Puzzle aus unzähligen Teilchen.
„While My Guitar Gently Weeps“ nennt sich der Startteil (28. Juli, 23.15 Uhr, Arte), für den der verdiente Autor Tom Theunissen viel durch die USA gereist ist. Er hat die Gitarrenlegende Les Paul ebenso interviewt und beobachtet wie Jennifer Batten, jene Frau, die Michael Jackson auf der Bühne das schrille Gitarrensolo zu „Beat 1t“ liefern durfte. Batten hat auch mit einem anderen berühmten Musiker gespielt und urteilt über diese Zeit leicht klagend. „Drei Jahre mit Jeff Beck, und du hast einen Tinnitus“, sagt sie und faßt sich ans Ohr.
Theunissen begleitet Helmut Hattler ein bißchen auf Tour, redet mit dem ewigen Stray Cat Lee Rocker und stattet auch Bootsy Collins einen Besuch ab. Schöne Bilder sind dabei entstanden.
Nach ganz ähnlichem Rezept funktioniert auch Simone Owczareks Beitrag „Ebony & Ivory“ (4. August, 23.40 Uhr), der sich dem Keyboard widmet und den Bogen spannt von der Erfindung des Moog-Synthesizers bis hin zur Arbeit von Air. Man erfährt, daß Keith Emerson in frühen Tagen nur deshalb begann, sehr wild und rücksichtslos mit seinem Tasteninstrument umzugehen, weil er eine Schlägerei im Publikum beenden wollte. Später riet ihm dann sein Roadie Lemmy, der bald Motörhead gründen sollte, doch bitteschön die Tasten mit einem Messer zu bearbeiten. Das ist eine nette Anekdote, aber auch nicht viel mehr.
Musiker sind eben von Natur aus nicht zwangsläufig fürs tiefgreifende Statement konstruiert. „Wir können nicht so gut reden, deshalb machen wir Musik“, sagt der Kraftwerker Ralf Hütter in einem frühen Interview-Clip – und zeichnet damit das Dilemma dieser Reihe schon sehr deutlich vor. Man kann in Gesprächen mit Musikern möglicherweise eine Frage auf interessante Weise umkreisen, doch die einzige Antwort gibt letztlich — hoffentlich — eben die Musik.
Die aber kommt bei all den „Pop/bsessions“ leider immer nur als kleiner Ausschnitt vor, weshalb der Zuschauer hinterher eigentlich genauso klug ist wie zuvor und sich ernsthaft fragt, ob man das Radio wirklich aufschrauben mußte.