Musik für laue Sommerabende: Jonathan Jeremiah mit neuem Album
Jonathan Jeremiah ist ein begabter Befindlichkeits-Barde aus Britannien - seine Songs und sein Bart weisen konsequent zurück ins Jahr 1972, sein Plattentitel zitiert Neil Diamond.
Die Briten waren wieder einmal ein bisschen schneller – oder saßen einfach näher an der Quelle: Bereits im Sommer 2009 entzauberte Musikjournalist Paul Lester in seinem Web-Blog „Band Of The Day“ den schwelgerischen Streicher-Pop des Londoner Sängers und Songschreibers Jonathan Jeremiah. Was sich den Anstrich des Zeitlosen geben will, stand dort zu lesen, sei in Wahrheit ziemlich genau auf das Jahr 1972 datiert. Auf Bill Withers, John Martyn und Cat Stevens.
Zwei Jahre später – den Singles „Happiness“ und „See“ ist nun das Debütalbum „A Solitary Man“ gefolgt – singt Jeremiah seine Oden an das Glück und den Sonnenschein in einem Kreuzberger Café. Er trägt die üblichen Kennzeichen weltschmerzgebeutelter Befindlichkeitsbarden: verträumter Blick, Wuschelkopf, Karottenjeans, dünnes Leibchen. Optisch ein Mischung aus Adam Green und James Morrison. Hinter seinen Songs verbirgt sich unverkennbar die Liebe zur Musik seiner Kindheit. „Meine Mutter hat viele Platten gehört, die mich als Jugendlicher geprägt haben“, sagt Jeremiah. „Mein Vater hat als Elektriker im Wembley-Stadion gearbeitet. Nach den Konzerten hat er meistens eine Platte der Bands oder Künstler geschenkt bekommen, die am Abend aufgetreten sind. Diese Alben haben wir uns dann zu Hause gemeinsam angehört.“
Welche musikalische Erfahrung es auch war – bei den Jeremiahs wurde sie als Familienritual zelebriert. Keine Spur von pubertärer Rebellion: Popkultur war Teil der Erziehung. Mit sechs Jahren fing Jeremiah an, Gitarre zu spielen, später entdeckte er Jeff Buckley und wollte natürlich singen wie dieser. „Ein paar meiner Freunde konnten seinen stratosphärischen Gesang richtig gut nachahmen“, so Jeremiah, „ich hatte dagegen eine Stimme wie Dean Martin. Mit 15 war das eine schreckliche Erfahrung.“ Doch mit 21 Jahren trat er seinen eigenen musikalischen Weg an, trampte quer durch die USA und verdiente seinen Lebensunterhalt als Pianist in verschiedenen Bars. „Ich war nie ein wirklich guter Klavierspieler. Dementsprechend mies war der Lohn“, gesteht er ein wenig beschämt. Aus jener Zeit stammen auch die ersten Melodien und Songzeilen für „A Solitary Man“. So schrieb Jeremiah unter anderem das Stück „Happiness“, das tatsächlich so klingt, als hätte Burt Bacharach höchstselbst die süffigen Orchester-Arrangements beigesteuert.
Zurück in England, besorgte ihm sein Vater einen Job beim Sicherheitsdienst im Wembley-Stadion. Dort schuftete Jeremiah eine Weile, während sein Vorhaben, das Debüt-Album aufzunehmen, immer mehr in greifbare Nähe rückte. Tagsüber schrieb und arrangierte er Songs, nachts arbeitete er im Stadion, um die Musiker für die Aufnahmen zu bezahlen.
Zu ihnen gehörten auch die Musiker des Heritage Orchestra, von denen Jeremiah lange Zeit nicht einmal wusste, dass sie im selben Studio aufnahmen: „Der Typ, dem das Studio gehört, hatte für mich eine CD gebrannt, auf der versehentlich ein paar Stücke des Heritage Orchestra gelandet waren. Als ich herausfand, dass die Band praktisch nebenan spielte, dachte ich: Warum kombinieren wir das nicht einfach?“
Mit Bernard Butler und Questlove von The Roots halfen Jeremiah zudem zwei Produzentenprofis. Doch es bleibt die Frage, wie ein Debütant den größten Teil seines Erstlingswerks selbst produzieren kann. Wo kann man das lernen? „Im Studio“, grinst Jeremiah, „deshalb hat es ja sieben Jahre gedauert. Gib mir eine Band wie Crazy Horse – und ich mache ein Album in zwei Tagen!“, fordert er ironisch. Neil Young gehörte im Hause Jeremiah anscheinend auch zur musikalischen Früherziehung. Das lässt hoffen, rechtfertigt jedoch nicht den Hype um „A Solitary Man“, auch wenn diese Musik – wie oft zu hören ist – perfekt „für laue Sommerabende“ ist.
Wohlgemerkt: lau, nicht heiß!
Im Oktober ist der Herr dann auch auf Deutschlandtour:
11. Oktober Berlin, Comet Club
13. Oktober München, Ampere
14. Oktober Trier, Casino am Kornmarkt
15. Oktober Köln, Luxor
16. Oktober Hamburg, Logo