Weg mit den Mandolinen! Mumford & Sons stöpseln ein
Weg mit den Banjos! Auf ihrem dritten Album feiern MUMFORD & SONS die Elektrifizierung ihres Sounds – und suchen neue Ehrlichkeit im Mainstream
„Babel 2“ wäre kein Problem gewesen
Die Motivation für Neues stellte sich rasch ein, bereits nach wenigen Monaten wollten sie wieder an Songs arbeiten. Mit The-National-Gitarrist Aaron Dessner, einer weiteren Festival-Bekanntschaft, experimentierten sie in dessen Studio in Brooklyn. „Klar hätten wir ein ‚Babel 2‘ machen können, aber das hätte uns davon abgehalten, uns weiterzuentwickeln. Wir wollten die Türen öffnen für unterschiedliche Songwriting-Ansätze“, erklärt Lovett. Dessner brauchte jedoch ein Weilchen, um sich mit den Vorstellungen der Leute anzufreunden, die da in seiner Garage saßen, Bier tranken und über Zukunftspläne sprachen. Die Band beharrte schließlich so lange auf einer Aufnahme in klassischer Rockband-Besetzung ohne Overdubs, bis man einfach drauflosjammte. Winston Marshall griff sich eine E-Gitarre, Lovett bediente einen Synthesizer und Mumford spielte Schlagzeug und sang. „Es lag eine seltsame Magie in der Luft“, erinnert sich Dessner. Ein befreiender Moment, auch wenn von dieser Ursprünglichkeit auf „Wilder Mind“ wenig übrig geblieben ist. Dafür wurde an den Songs anschließend zu viel herumgeschraubt.
Was allerdings gleich auffällt: Erstmals waren alle gleichberechtigt in den Schreibprozess involviert. „Die Jungs kamen mit ein paar erstaunlichen Texten an. Es war wirklich ein Genuss für mich, sie zu singen“, lobt Mumford seine Kollegen. Dwane holt weiter aus: „Kreativ an einem Strang zu ziehen ist ein Handwerk, das man perfektionieren muss. Wir haben mit diesem Album einen Punkt erreicht, wo jeder die Ideen der anderen sofort versteht.“ Von Telepathie ist die Rede. Dick aufzutragen ist den Söhnen Mumfords ja noch nie fremd gewesen. So scheuen sie sich auch diesmal nicht, ihr Innerstes in Form von Songs, etwa über gescheiterte Beziehungen wie in „Only Love“ und „Believe“, mit viel Pathos in die Welt zu schleudern. Dass sie Privates universell und durchaus poetisch verpackt, gehört zweifellos zu den Stärken der Band.
Als sie genug Songs hatten, um drei Alben aufzunehmen (40, heißt es), musste Dessner mit The National auf Tour. Also gingen die Mumfords Anfang 2014 mit Produzent James Ford (Arctic Monkeys, Haim) in die Londoner AIR Studios. Ford, den sie für Simian Mobile Disco verehren, lernten sie vor Jahren bei einer Session für BBC Radio 1 kennen. Schon damals sprach er mit der Band darüber, was er an ihrem Sound ändern würde. „Er redete von Ehrlichkeit und von der Reduktion aufs Wesentliche“, so Lovett. „Es ging ihm darum, mehr Vertrauen in den Kern eines Songs zu haben und den Song nicht zu überfrachten.“ Womit wir bei einem Thema wären, für das sich alle gleichermaßen begeistern: Raum. „Hört man sich eine Led-Zeppelin-Platte an, kann man sehr viel Raum hören“, sagt Mumford. Man merkt, dass ihm das Bemühen, nicht alles vollzuklampfen und stattdessen die Töne atmen zu lassen, eine Herzensangelegenheit war.
„Wir dachten die ganze Zeit: Wir sind nicht würdig, hier zu sein“
Leider geht das in der fehlenden Dynamik, der Bigger-than-life-Produktion im Stil von U2, Coldplay und anderen Global Playern total unter. Ein weiterer unüberhörbarer Einfluss ist Bruce Springsteen, für den sie „I’m On Fire“ beim MusiCares Tribute chorknäbelten. Dwane lenkt die Sache ins Allgemeine: „Das war eine große Ehre für uns. Die meisten Künstler, die dort waren, spielen ein paar Ligen über uns. Wir dachten die ganze Zeit: Wir sind nicht würdig, hier zu sein.“
Es ist diese Bescheidenheit, die einem Rätsel aufgibt, dieses makellose Lächeln auf den Gesichtern, die gerade so viel Stolz verraten, dass man ihnen keine Eitelkeit oder Arroganz nachsagen kann. Viel ist über den unwahrscheinlichen Erfolg der Mumfords geschrieben und gerätselt worden. Wie kann man mit handgemachter Musik noch solche Erfolge einfahren? Und bevor man das Rätsel dieser merkwürdig ernsthaften und zielstrebigen Band lösen kann, schlägt sie schon das nächste Kapitel ihrer Karriere auf.