Multitasking? Kein Problem!
Bei The Minus 5 kann sich Scott McCaughey richtig austoben - mit ein bißchen Hilfe werter Kollegen
Gemeinhin wird ja behauptet, daß Männer kein Talent zum Multitasking haben. Mit gleichzeitigem Telefonieren und Fernsehen sind sie schon überfordert, während Frauen nebenbei noch Sudoku spielen können. Hier kommt die Ausnahme: Scott McCaughey, Songschreiber, Sänger und Gitarrist aus Portland, Oregon. Er kann locker in vier Bands auf einmal spielen. Bei R.E.M. hilft er im Studio und auf Tournee aus, mit den Young Fresh Fellows, Tuatara und The Minus 5 nimmt er eigene Alben auf. Der jüngste Streich: „The Minus 5 (The Gun Album)“, eine Platte voller böser kleiner Popsongs, die so verblüffend Zynismus und Melodieseligkeit vereinen.
Bedenkt man, daß McCaughey monatelang auf Tour war, fragt man sich doch, wann er es geschafft hat, sich all das auszudenken. „Die Songs habe ich im Laufe der letzten drei Jahre geschrieben, wann immer ich gerade Zeit und Lust hatte. Aber manchmal war mein Kopf doch so voll von R.E.M.-Musik, daß nicht mehr viel anderes reinpaßte.“ Wenn er Glück hatte, passiert das nicht gerade an den freien Tagen, denn dann arbeitete er regelmäßig an den eigenen Songs – mit den Kollegen, die gerade verfügbar waren. Zum festen Kern von The Minus 5 gehören Peter Buck und Bill Rieflin, die gemütlicherweise immer in der Nähe sind, wenn R.E.M. touren, außerdem John Ramberg (The Model Rockets). McCaughey schreibt die Musik und Texte, aber im Studio kann noch alles Mögliche passieren. Wer welches Instrument spielt, ist immer offen. Oft überraschen die Kollegen den Songwriter: „Ich hätte mir den Drumbeat, den Bill sich für ‚Leftover Life To Kill‘ ausgedacht hat, nie vorstellen können. Ich kapiere ihn eigentlich immer noch nicht.“ Auch Jeff Tweedy ist wieder mit dabei, Ken Stringfellow und John Wesley-Harding, dazu Colin Meloy und John Moen von den jetzt hochgelobten Decemberists. McCaughey konnte „Cemetery Row W14“ einfach nicht richtig singen, also mußte Moen ran. Ein Glück, wenn man die richtigen Leute kennt – und ein bißchen geschickt ist: „Ich bin Experte darin, jeden geographischen Zufall zu nutzen!“
Was „The Gun Album“ von vorherigen Alben unterscheidet: Diesmal geht es ganz schön deprimierend zu, was Songtitel wie „Aw Shit Man“ und „All Worn Out“ nicht verbergen können, so sehr die Musik es versucht. „Daß die Musik zu den verzweifelten Texten manchmal eher upbeat klingt, ist Zufall. ‚Bought A Rope‘ etwa könnte zunächst wie ein Liebeslied klingen, aber nach einer Weile spürt man diese Gruseligkeit, während ,Twilight Distillery‘ gleich als positiv verpackte Ode an den Alkoholismus angelegt war. Mein Sinn für Humor!“ Manchmal weiß man auch gar nicht genau, worum es geht, doch dafür hat McCaughey eine herrliche Erklärung: „Ich bevorzuge Bildhaftigkeit gegenüber Klarheit. Welches ist der bessere Song: Dylans ‚Desolation Row‘ oder Foreigners ,Hot Blooded“? Ich schätze, ich verstehe die Bedeutung von ‚Hot Blooded‘ besser – es war ja auch der größere Hit -, aber,Desolation Row‘ bedeutet mir doch mehr, es bewegt mich, während ‚Hot Blooded‘ mich – äh – kalt läßt.“