Muckertum, Wutschnaufen und Politik: der Crossover von Skunk Anansie
Über den Song möchte Skin nicht mehr sprechen. Die drei Männer ihrer Band lächeln gequält und wissend, als sie routiniert und bitter erzählt, wovon „Intellectualise My Blackness“ handelt, ein Song vom ersten Album von Skunk Anansie. Viele Jahre liege das zurück, sagt Skin, auf der Universität war es, und da war dieser Mann: „He tried to intellectualise my blackness/ To make it easier for his whiteness/ Then he teils me I’m so different from those other shits.“ Heute wird vorsichtshalber gleich mitgeteilt, die schwarze, geschmeidige, fast glatzige Frau sei lesbisch. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte.
Fürs Cover des Debüt-Albums posierte Skin in Militärhosen und klobigen Stiefeln, muskulöse Arme vor der Brust verschränkt. Die Plattenfirma trefflich: Skin „gleicht einer tickenden Zeitbombe“. Der Albumtitel: „Parnoid & Sunburnt“ – was eher hirnverbrannt klingt. Die Musik: Metal plus Funk plus Stadionrock plus Plüsch, knallige Hymnen, die sich über Energie und Hysterie vermitteln. Slogans wie „They’re selling Jesus again“ preßt Skin wieder und wieder mit einer Wut hervor, als müßte sie das Böse bannen. Das Klischee der „Amazone“, der „Animalischen“ drängt sich peinlich auf. Die Band („Wir arbeiten sehr eng zusammen, jeder spürt, wenn ein anderer auf der Bühne nicht bei der Sache ist“) ist eher dem Muckertum verpflichtet: „Eklektisch ist das Wort“, sagt der Gitarrist Ace. „Man kann alles machen, nur der Soooong muß gut sein“, postuliert Skin. „Wir haben jetzt eine neue Platte“, nölt Schlagzeuger Mark, etatmäßig übernächtigt, maulig und seine Mütze verkehrtherum tragend.
Das neue Album heißt „Stoosh“, bläst einen mal um, und ein anderes Mal möchte man es für seine Gelungenheit hassen. Diese Gruppe freut sich schon auf die Stadien der Welt: „Wir können da sogar am besten spielen.“ Skunk Anansie exekutieren den guten alten Crossover, das können sie. „Es gibt aber auch ruhige Songs“, sagt Skin. „Wenn jemand nur die langsamen Stücke mag – fair enough.“ In der Tat stehen ihnen viele Möglichkeiten zu Gebote. Großzügig blicken sie auf Oasis herab: „Einfacher Rock, aber die Songs sind als Hits konzipiert.“ Ihr Song „Brazen (Weep)“ klingt wie ein Superhit. Noch ein Video dazu, dann die Weltberühmtheit.
„Yes, it’s fucking political“, zetert Skin gleich im ersten Song des Albums, und der Ton gemahnt an Nina Hagen. Dazu fiepen und lärmen die Kollegen. Hier soll alles Schrei sein (nach Liebe, nach Geborgenheit, nach Gerechtigkeit, nach Gloriosem). Ein Schrei wie „Hedonism (Just Because You Feel Good)“. Und ist das gut oder schlecht? Skin: „Na ja, man fühlt sich gerade gut, deshalb folgt man der Lust. Aber das Ergebnis kann natürlich schlecht sein. Verstehst Du?“ Der Gitarrist: „Das ist kein Song, der den Hedonismus verherrlicht.“
„Drum’n’Bass“, neuerdings des Musikjournalisten liebste Wortkombination, ist Skunk Anansie noch nicht geläufig. Und auch keine Herausforderung. „Rock wird es immer geben. Wir könnten auch so ein Album aufnehmen. Das ist aber langweilig. Das Zusammenspiel ist das Entscheidende, die Überraschung.“ Der Bassist: „Rock ist nach wie vor klassisch. Klassisch!“ Der Gitarrist: Ja, klassisch.“ Seid Ihr vielleicht sogar – altmodisch? Ein Lächeln von Skin.