Monster Bash 2012: So war die Reunion von Refused

Höhepunkt des Monster Bash in Berlin am vergangen Freitag war natürlich das Reunion-Konzert von Refused, das noch einmal die Zeitlosigkeit ihres Albums "The Shape Of Punk To Come" bewies.

„They told me that the classics never got a style but, they do, they do. Somehow baby, I never thought that we do to“ – schon das Einstiegszitat des Refused-Albums „The Shape Of Punk To Come“ hätte im Rückblick nicht passender sein können: Damals, als sich die Band 1998 auflöste, fühlte man sich unverstanden, ungehört, unzufrieden. Die Bandmitglieder beschrieben die Tour nach dem Release als Tortur, die Stimmung zwischen dem sendungsbewussten Sänger Dennis Lyxzén und dem Rest der Band war angespannt, die Locations trotz guter Presse dürftig besucht. Erst nach dem Ende der Band zündete ihr Song „New Noise“ so richtig, enterten die mit Tier- und Monstermasken verkleideten Bandmitglieder MTV und Co., hauten sich Hardcore-Fans und Indie-Dissen-Kiddies gleichermaßen die Ellenbogen in die Rippen und kreischten: „We dance – all the wrong songs! We enjoy – all the wrong moves!“ Was einerseits wie bittere Ironie aussieht, war vielleicht doch nur der postum nachgereichte Beweis, dass Refused mit ihrem Ende die richtige Konsequenz zogen. Denn die politische Dimension dieser Band ging im Hype zu großen Teilen verloren, und während das arbeitsintensive preaching to the converted in besetzten Häusern und alternativen Jugendzentren die Band zermürbt hatte, sprang der Mainstream zunächst zu spät und aus den falschen Gründen auf sie an.

Dennoch bleibt es erstaunlich, dass sich genau das mit der Zeit wandelte, dass man plötzlich doch realisierte, wie konsequent Refused texteten (selbst, wenn Lyxzén das nicht ebenso konsequent lebte, was ihm oft vorgeworfen wurde), wie sehr sie ihrer Zeit voraus waren mit ihrem aggressiven, intelligenten Bastard aus Hardcore, Punk und elektronischen Zwischenspielen aus Beats und Samples. „The Shape Of Punk To Come“ gilt heute zu Recht als der Meilenstein, der er ist. „They told me that the classics never got a style but, they do, they do. Somehow baby, I never thought that we do to.“ Und da wären wir wieder beim Einstiegszitat und bei der Erkenntnis, die nicht nur ihre Fans sondern auch die Band selbst ereilt hat: Refused sind sich ihrem großen Wurf nun bewusst – bzw. der Rest der Welt ist sich dessen nun bewusst, und Refused bedanken sich mit einer Handvoll Konzerte. Gut, vermutlich machen sie dabei auch finanziell ihren Schnitt – immerhin spielen sie selbst bei von Telekommunikationsfirmen gesponserten „Punk Rock Specials“ – aber die Tatsache, dass sie überhaupt noch mal diese Songs vor ein nun größeres Publikum bringen, ist absolut zu begrüßen. Die Diskussion hier nun noch reinzuwuchten, ob man linke Inhalte und Kapitalismuskritik überhaupt in ein kapitalistischen Umfeld wie die Livebranche bringen kann – das wäre ja auch müßig.

Aber genug des Vorgeplänkels: Am Freitag spielten Refused nun eines ihrer Reunionkonzerte auf dem Monster Bash, der in den Berliner Locations C-Halle und C-Club stattfand – the locations formerly known as Columbiahalle und Columbiaclub. Refused waren Headliner in der C-Halle und stahlen erwartungsgemäß all den anderen Künstlern allein mit ihrem Kommen die Show (was eigentlich schade ist, denn mit Hot Water Music, den Bouncing Souls, dem Against Me!-Sänger Tommy Gabel und den Ur-Deutschpunks von Dritte Wahl war der Monster Bash recht gut besetzt).

Kurz vor Mitternacht wurde die Bühne mit einem schwarzen Vorhang behängt, wenig später brummten Keyboards und dunkle Beats durch den Raum, die einen sofort an den Sound des letzten Refused-Albums denken ließen, obwohl man noch nicht eine Gitarre hörte.

Das elektronische Brummen ging über in das Intro von „Worms Of The Senses / Faculties Of The Skull“ – jenem Doppelschlag, der auch „The Shape Of Punk To Come“ eröffnet. Dann knallte es (oder man bildete es sich ein), der Vorhang fiel und die Menge explodierte. Das muss man mal so klischeebeladen schreiben, denn für Thekenhängernostalgie war hier definitiv kein Platz: Die hektisch gehackten Riffs teilten die Menge, hoben die Füße der einen vom Boden, rissen andere, die zu spät auf den Ausbruch reagierten, auf selbigen. Dennis Lyxzén irrlichterte in schwarzem Dress über die Bühne, krümmte sich, brüllte der Prekariats- und Punk-Mischung in den ersten Reihen ins Gesicht: „I got a bone to pick with capitalism and a few to break!“ Und wenig später: „And yeah, I like eating excrement, not getting paid for it“ – was wohl vor allem besagten Prekariatsteil ansprach…

Das „Refused Party Program“ entfaltete daraufhin seine volle Wirkung – „This is the movement, this is the rhythm / This is the noise of revolution / Yeah! Yeah! Arrrrh!“ Das musste mal so gebrüllt werden, mit all dem heiligen Ernst, der im Song steckt, auch wenn es zynisch betrachtet natürlich nur ein Konzert auf einem Energydrinkfestival war und mitnichten eine, geschweige denn DIE Revolution. Dennis Lyxzén wurde durch die straffen Songs und ihr Tempo dazu gezwungen, nicht mehr ganz so penetrant zu posen, wie er es bisweilen bei der International Noise Conspiracy getan hatte (und was beim Original, nämlich bei Ian Svenonius von The Make-Up, eh schon immer überzeugender wirkte). Und er punktete mit erstaunlich dankbaren Ansagen, in denen er noch einmal die Tatsache ansprach, dass diese Musik damals ja kaum wen interessiert hätte.

Schlagzeuger David Sandström, die Gitarristen Jon Brannström und Kristofer Steen sowie Bassist Ulf Nyberg stellten derweil klar, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Die vertrackten, Haken schlagenden Stücke, die mit so manchem Break den Moshpit verwirrten, klangen ebenso souverän wie ein direkter Treffer à la „Liberation Frequency“, der auf Melodie und Aggression im steten Wechselspiel setzt. „We want the airwaves back! We want the airwaves back!“ Nimm das, Formatradio!

„Rather Be Dead“ war dann mal ein Exkurs zum Vorgängeralbum „Songs To Fan The Flames of Discontent“ und ein Song, der einen ganzen Moshpit in die Schizophrenie treiben kann: Fängt an mit einem Trommelwirbel und einem dieser Stampf- und Pöbel-Riffs, geht über in einen Part, der einen garantiert ein paar blaue Flecken einbringt, lässt einen die Faust ballen im Refrain, wo man sich zu „Rather be dead!“ die Seele aus dem Leib brüllt und kippt dann immer wieder in ruhige Zwischenspiele, zu denen man perfekt erschöpft durch die Reihen wanken kann.

Der Song „Refused Are Fucking Dead“ klang dann nach dem guten Witz, der er damals vielleicht schon sein sollte. Denn nach der knapp einstündigen Show dürfte wohl jedem klar gewesen sein, dass Refused „fucking alive“ sind – auch wenn nun die Frage im Raum stehen wird, ob sie nochmal ein Album machen sollen und wollen.

Und „New Noise“? Na ja: Was soll man schon sagen? Man will ja nicht der doofe Hitspringer sein (und verbrachte deshalb immerhin das ganze Konzert vorne), aber es war dann doch dieser Übersong, der einen dermaßen ins Springen, Bellen, Pogen brachte, dass man kurz schon am eigenen Verstand zweifelte – allerdings nur in den zwanzig Sekunden Elektrogeplänkel, die einem die Zeit dazu ließen. Dann hieß es wieder:

„We dance to all the wrong songs
We enjoy all the wrong moves
We dance to all the wrong songs
We’re not leading. Yeah! Yeah! Yeah!

The new beat! The new beat! The new beat! The new beat!
The new beat! The new beat! The new beat! The new beat!
The new beat! The new beat! The new beat! The new beat!
The new beat! The new beat! The new beat! The new beat!
Thank you.“

Ein gutes Schlusswort.

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