Mit seinen Liedern beweist der Texaner ROBERT EARL KEEN den Mut zur Lücke
Dies Picknick sollte Robert Earl Keen nie vergessen. Wir schreiben das Jahr 1974, und die vielgerühmte „Outlaw“-Szene in und um Austin herum war gerade dabei, ihren Zenit zu überschreiten. Der große Oberindianer Willie Nelson hatte mal wieder zum alljährlichen „4th of July“-Open-Air geladen.
Auch ein knapp 18-jähriger Teenager aus dem texanischen Kaff Bandera hatte sich – den Biervorrat in der Kühltasche, sein Mädchen im Arm – auf den Weg gemacht, um dieser „Western-Version von Woodstock“ (Keen) beizuwohnen. Groß war der Spaß. Bis leider sein Auto in Flammen aufging. Noch Jahre später zehrte Robert Earl Keen in seinen Live-Shows von jener zur Anekdote geronnenen Episode. Und „irgendwann kam dann dieser Typ mit dem Foto an: Einer seiner Freunde hatte damals doch tatsächlich meinen brennenden Buick fotografiert! Cool, dachte ich, das wird das Cover für mein nächstes Album.“
So geschah’s denn auch: „Picnic“ ist zwar bereits das sechste Album des Texaners, aber sein erstes bei einem großen Label. Frühere Offerten hatte Keen noch abgelehnt, weil „ich mich da verändern sollte“. Diesmal erfolgte die Veränderung aus eigenem Antrieb, nachdem „die alten Pfade ausgetreten“ waren. Die weit ausholenden Country-Epen sind gitarrengetriebenen Short stories mit einem Mut zur Lücke gewichen. Keen: „Früher wollte ich alle Fakten auf den Tisch packen, am Ende immer eine Lösung anbieten. Heute lasse ich vieles offen.“ Im Leben, so Keens Erkenntnis, ließen sich ja „auch nicht permanent alle Kreise“ schließen.
Für ihn selbst schließt sich jedenfalls ein Kreis, wenn er endlich mal wieder für ein paar Wochen daheim bei der Familie sein kann, rund 75 Meilen von San Antonio entfernt auf dem Lande. „Dafür tue ich all dies“, sagt er morgens, irgendwo in Kalifornien, vor dem Start zum nächsten Tour-Ort. Robert Earl Keen ist ein klassischer Spätstarter. Reime und Gedichte brachte er zwar „bereits schon mit fünf“ zu Papier, doch Songs wurden erst daraus, als er auf dem College auch zur Gitarre griff. Ermuntert auch von einem merkwürdigen Kommilitonen, der immer winkend auf dem Fahrrad vorbeifuhr. Irgendwann hielt der auch mal an, und gemeinsam verewigten sie die geliebte Veranda, auf der sie fortan viele Stunden zusammen abhingen, in einem Song.
Der Kommilitone hieß übrigens Lyle Lovett und nahm „This Old Porch“ gleich für sein erstes Album auf. Auf „Picnic“ wurde jetzt noch eine andere Freundschaft musikalisch manifestiert. Die Cowboy Junkies, insbesondere deren Sängerin Margo Timmins, waren schon länger Fans von Keen. Beim „South By Southwest“-Festival in Austin kam es dann endlich zu einem Treffen zwischen der berühmten Kanadierin und dem Texaner.
„Zunächst verband uns nur die gemeinsame Liebe für Townes Van Zandt-Songs“, erinnert sich Keen. Später, nachdem er sie zu sich nach Hause eingeladen hatte, verband die beiden wohl noch ein bißchen mehr. Weshalb man bis heute in ständigem Kontakt geblieben ist.
Keens Fazit: „Kanadier sind ganz anders als wir Texaner – sehr höflich und so verdammt bescheiden.“ Vermutlich sogar beim Picknick…