Mit proto-britischem Gitarrenlärm mischen die Wannadies die englische Pop-Konkurrenz mit deren eigenen Waffen auf
Traue keinem Label-Manager. Geht es um ihre Acts, schleimen sie wie Gebrauchtwagenhändler und lügen das Blaue vom Himmel herunter. Wenn sie clever sind. Die anderen, schlichter Veranlagten, lügen sich in die eigene Tasche und glauben am Ende den eigenen Hype. Skepsis ist also angebracht.
Wie damals, vor sieben Jahren in Kopenhagen. Jonas Sjöström vom schwedischen Label MNW hatte mich in einen kleinen Club hinterm Tivoli geschleift, wo uns nicht weniger erwartete ab „die mit Abstand beste Band, die Schweden je hervorgebracht hat“, wie Jonas nicht müde wurde zu posaunen. „Besser noch als die Nomads?“, fragte ich, „besser als die wunderbaren Watermelon Men, besser gar als Abba?“ Der Mann von MNW lächelte nur wissend. Er schien sich seiner Sache mehr als sicher zu sein.
Zwei Stunden später strahlte er triumphierend – und ich war wie in Trance: diese Präsenz, diese Verspieltheit, dieses folky-filigrane Ensemble-Geflecht, diese höllischen Hooklines. Und dabei so jung, so unverstellt, so rasend charmant. Eine Fee mit vier Trollen, wie aus dem Märchen. Und am Ende sagte der kleine, kraushaarige Troll zur kleinen, begeisterten Schar vor der Bühne: „Ich bin Pär, wir sind die Wannadies. Danke fürs Kommen.“ Pär Wiksten schüttelt ungläubig den Kopf. Wie klein die Welt doch sei, wundert er sich. Ja, auch er könne sich noch genau an jenen denkwürdigen Abend erinnern. Und an die Tage davor und danach, fügt er schelmisch hinzu. Immerhin sei es das erste Mal gewesen, daß sie außerhalb ihrer Heimatstadt Skelleftea auftraten. Und da Skelleftea im hohen Norden Schwedens liegt, dort, wo weitaus mehr Elche und Bären hausen als Menschen, hatten sie eine ganz hübsche Strecke zurücklegen müssen, um diesen Gig in Kopenhagen zu absolvieren. Von Fährnissen und Widrigkeiten wie ständigen Autopannen und dem chronisehen Geldmangel ganz zu schweigen. Halb Abenteuer-Urlaub, halb Alptraum sei dieser Trip gewesen, aber eben auch ihr erster Schritt als Band in die weite Welt des Pop.
Inzwischen haben die Wannadies den Polarkreis längst verlassen und residieren in der Weltkapitale des Pop, in London. „We’re a top twenty band now“, sagt Pär nicht ohne Stolz und meint die UK-Charts. Beileibe keine Selbstverständlichkeit, denn die Schweden mischen die Brit-Konkurrenz mit deren eigenen Waffen auf. Eulen nach Athen, Kohle noch Newcastle. Vorbei sind die Tage des beschaulichen und lieblichen Folk Rock. Heute treiben irrwitzig schnelle und eingängige Propeller-Melodien Texte vor sich her, die nur das Eine im Sinn haben.
„Gibt es denn noch etwas anderes?“, fragt Lyriker Wiksten amüsiert. Er sei zwar seit mehr ab zehn Jahren mit Wannadies-Organistin Kristina Bergmark liiert, doch ließe es sich doch wohl nicht leugnen, daß Männer allzeit nur vom Ding zwischen ihren Beinen regiert werden. Diskutabel, immerhin. Wie ihr patentierter Britpop made in Sweden. So viel besser seien sie geworden seit ihren Anfangstagen, meint Pär. Und täuscht sich gewaltig. Anders ja, effizienter meinetwegen, erfolgreicher sowieso. Doch wo früher Regenbogen-Dynamik war, kennt das aktuelle Wannadies-Programm nur noch blaß oder grell, lyrischleise oder heads-down-full-blast.
Wiksten wehrt sich nicht gegen den Vorwurf. Sein Nervenkostüm sei ohnehin ziemlich löchrig, seit die Wannadies gegen ihr altes Label NMW prozessieren. Jonas Sjöström legte sich quer – und die Band für Monate lahm. Eine sich abzeichnende Lösung der Vertragsmisere stimmt Pär auch nicht versöhnlicher, obwohl „Bagsy Me“ endlich heraus ist, obwohl ihnen der alte Hit „You And Me Song“ – für den „Romeo & Julia“-Soundtrack recycelt – neue Hörer zuführte. Positiv sei nur der Lerneffekt Jetzt wissen wir immerhin, daß diese Label-Leute nur Geschäft meinen, wenn sie von Musik reden.“ Welcome to the real world.