Mit Kaleidoscope erlangte er Kultstatus. Als Produzent und Musiker fördert Chris Darrow neue und alte Talente
Chris Darrow hat es geschafft, über Kult- und Insider-Status hinauszuwachsen. Einen Hauch von Popularität genoß der genialische Instrumentalist allein zwischen 1966 und 1970, als er bei Kaleidoscope (nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen Band aus England) spielte, bei der auch ein gewisser David Lindley sich seine ersten musikalischen Sporen verdiente. Und halbwegs bekannt war die Nitty Gritty Dirt Band (zwischenzeitlich firmierte sie auch schlicht als Dirt Band), mit der Darrow ein Studio-Album namens JRare Junk“ und die Live-Platte „Alive “ aufnahm.
Aber ach, zum Ruhm reichte es dennoch nicht. Studio-Arbeiten mit befreundeten Musikern – darunter John Stewart, Sammy Walker, Toulouse Engelhard, John Fahey, Kim Fowley und Skip Battin – forderten immerhin Darrows Reputation als Musiker und Produzent. Seine fünf Solo-Alben bis 1980 brachen manchem Bahn, was heutzutage als selbstverständlich gilt: Zwischen Singer/Songwriter-Gefilden und Country-Rock erschließen sich dem Hörer ungeahnte Welten. Virtuos spielt Darrow Gitarre, Mandoline, Fiddle – und versöhnt orientalische Musik mit genuin amerikanischer Folklore und Rockmusik.
Wem jetzt Page & Plant in den Sinn kommen, dem sei gesagt, daß Kaleidoscope die defintiv erste Ethnorock-Band waren – lange bevor dieser schwammige Begriff überhaupt geboren wurde. Ihre Auftritte mit Feuerschluckern und Bauchtänzerinnen waren ebenfalls meilenweit vom Bühnenrummel heutiger Mega-Bands entfernt, der allenfalls dazu dient, vom Unvermögen der Interpreten abzulenken. Jimmy Page macht zudem auch keinen Hehl aus dem Einfluß, den Kaleidoscope auf Led Zeppelin ausübten. „Page nannte uns sogar seine ‚Lieblingsband'“, erzählt Darrow. Womit der britische Gitarrist Stil und Geschmack beweist, denn Kaleidoscope-Alben wie „Side Trips“ oder „Beacon From Mars“ boten atemberaubende Exkursionen in bis dahin weiße Flecken auf der Landkarte der Rockmusik. Zudem erlaubte es die bandinterne Chemie den Musikern, ihre ganz persönlichen Vorlieben – ob Jazz, Folk, Flamenco, Blues oder türkische Folklore in die Kompositionen einzubringen. Kein Wunder also, daß sich die Gruppe ursprünglich Bagdhad Blues Band nannte.
Mit seinen ehemaligen Kaleidoscope-Partnern Buda und Lagos nahm Chris Darrow vor geraumer Zeit ein Album mit Instrumental-Versionen alter Favoriten auf, das jetzt auf dem Liebhaber-Label Taxim erschienen ist. Auf „Pretty Girls Everywhere“ blickt das Ensemble, das sich Los Chumps nennt, noch hinter seine eigene Zeit zurück: „Es ist ein Rock-Album, eine Hommage an alte Helden – von Lirtle Richard, Don Covay und den Meters bis hin zu Richard Berry, Bobby Troup und Eugene Church.“
Letzthin kümmerte sich Darrow auch um den lokalen Nachwuchs: Er produzierte das Debüt-Album „Welcome To The Cruel World“ des 25jährigen Gitarristen Ben Harper, der wie Darrow in Claremont/ Kalifornien zu Hause ist. Darrows filigraner Sound hat Harpers Lieder geprägt: Der junge Schwarze klingt nach Ry Cooder und David Lindley, die Songs von Blind Willie McTell und Blind Willie Johnson spielen. So betreibt Chris Darrow amerikanische Archäologie.
Zwei weitere Projekte sind abgeschlossen: Für Kim Fowley, ebenfalls kalifornisches Urgestein, produzierte er „Wormculture“ sein Sohn Steven bediente Schlagzeug und Gitarre. Und die Band Mojave, mit Musikern von Emmylou Harris‚ Hot Band und den Byrds, ist“.ganz und gar Kalifornien“, so Darrow. „Es geht um die Region und die Probleme, die das Leben im Westen heute bereitet. Mojave spielen modernen Country-Rock in der Tradition von Buffalo Springfield, den Eagles und den Byrds.“
Chris Darrow lebt und arbeitet noch immer an seinem Heimat-Ort. Für die Pflege und Bewahrung eines Erbes, das bis zu den Anfängen der populären Musik reicht, hat er eine beschauliche Betriebsamkeit kultiviert. Das ist auch notwendig: „Ich will einfach damit weitermachen, Alben aufzunehmen und Songs zu schreiben. Projekte bewegen für mich die Welt. Um mit Duke Ellington zu sprechen: ‚Musik ist meine Geliebte. Sie spielt niemals die zweite Geige.‘ Ich möchte für das erinnert werden, was ich gemacht habe.“