Mit Irritationen und ohne Promotion sind BELLE & SEBASTIAN fast Stars geworden
„It could have been a brilliant career“, grübeln Belle St Sebastian, und Angestellte ihrer kontinentalen Plattenfirma raufen sich die Haare. Was hätte man nur alles mit dieser Band anfangen können, wenn sie sich nur etwas mit der Marketing-Maschinerie arrangiert hätte! Aber nein, nicht mal Interviews verliefen normal anläßlich ihres zweiten Albums „If You’re Feeling Sinister“. Promo-Fotos? Zeigten Freunde oder Schafe. Sänger und Songschreiber Stuart Murdoch? Lebt als Hausmeister in einer Kirche in Glasgow. Ist das britische Exzentrik? Wenn Belle 8C Sebastian über Elvis singen, meinen sie garantiert eine streunende Katze.
Aufatmen bei der Plattenfirma. „The Boy With The Arab Strap“, der Nachfolger, ist verdammt großartig ausgefallen, und nachdem die Nicht-Promotion als Promotion beinahe nützlich war, läuft nun alles in gewohnteren Bahnen. Trompeter Mick Cooke, neuestes und achtes Mitglied in der Belle & Sebastian-Kolchose, ist einigermaßen redselig, und Keyboarder Chris Geddes weiß sich die Zunge mit Jack Daniels zu lockern. „Was meinst du, warum die mich eingestellt haben“, grinst Mick. „Nur für die Interviews!“ Demnächst spielen Belle & Sebastian im Shepherd’s Bush Empire in London, wo sonst Blur oder Kylie Minogue gebucht werden (Fassungsvermögen: 2000). Mick winkt ab: „Da stand ich auch schon mal auf der Bühne – der zweite Grund, warum man mich verpflichtet hat.“ Aber mal ganz im Ernst: „Die Entwicklung ist stetig, aber langsam, deswegen wird hier auch niemand überfordert und keiner von uns dreht durch.“ Inzwischen haben alle ihr Studium vollendet, so fehlt auch keiner mehr bei wichtigen Terminen.
Wie damals Stevie Jackson, der das Abendmahl mit „Hit Man“ Seymour Stein (dem Vorsitzenden von Sire Records) verpaßte. „Stevie hat den Song ‚Seymour Stein‘ nicht verfaßt, weil der Mann das böse Plattenbusiness verkörpert, wie man vielleicht von uns erwarten könnte könnte. Der Abend mit Seymour war ja durchaus interessant. Aber Stevie hatte da noch etwas zu klären. Seymour Stein kann einem die tollsten Plattenverträge anbieten, doch einem die Freundin zurückbringen, das vermag auch er nicht hinzukriegen.“
Daß außer Stuart Murdoch auch andere Bandmitglieder Songs schreiben, ist ein Album-Novum. Neben Stevie, der ebenso für „Chick Factor“ verantwortlich ist („Okay, dieses Thema aus „Betty Blue“ klingt schon verdammt ähnlich!“), empfehlen sich ebenfalls Isobel Campbell („Is It Wicked Not To Care“) und Stuart David mit seinem „Spaceboy Dream“, das er allein zu Hause zusammenschnippelte (mit seinem Sideprojeet Looper veröffentlichte er übrigens gerade auf Sub Pop „Spaceboy Dream“). „Außerdem haben wir bei dem Stück „Dirty Dream No. 2″, unserem Northern Soul-Versuch, eine größere Streicher-Sektion als bisher“, so erläutert Plaudertasche Mick die Liste der Neuerungen.
Nicht neu sind, Gott sei Dank, die Einflüsse: Nick Drake, Love, der frühe Donovan und die Band Feit, die bei denen unvergessen ist, die sie in den 80er Jahren gehört haben. Ein wenig denkt man immer noch an die Smiths, was allerdings eher etwas mit den Texten von Murdoch zu tun hat Solche Zeilen wie „You’re constantly updating your hit parade of your ten biggest wanks“ gelingen sonst eben keinem.
Belle & Sebastian haben uns eine der bedeutendsten Platten des Jahres geschenkt und bleiben dabei ganz in der Single-freien Zone. Wenn die Plattenfirma jetzt nicht nervös anfangt, lustige Belle & Sebastian-Pappnasen an die müden Plattenhändler zu verschicken, dann wird vielleicht auch alles gut. In England jedenfalls werden sie bald Giganten sein.