Mit Insulin und ohne Drogen hat der BLACK GRAPE-Chef seinen einst ruinösen Lebenswandel behutsam umgestellt
Das Insulin ist da, und Shaun Ryder nuckelt glücklich an seinem Mineralwasser. Alles wird gut, Mann! Er ist nun mal nicht mehr der Jüngste. „Ich bin 35. Als ich mit den Happy Mondays anfing, war ich 18, Mann! O.k. – wenn’s ums Musikmachen geht, bin ich immer noch verdammte 19 Jahre jung!“ Ryder ist also ein „adultescent“ bzw. „middle youth“ – so nennt man jetzt Menschen zwischen 35 und 45, die sich irgendwie immer noch mit Jugendkultur beschäftigen.
Und Black Grape sind Jugendkultur! Der Funk des jungen weißen Mannes englischer Herkunft! „Stupid Stupid Stupid“, das neue Album, ist ein kunterbuntes groovendes Allerlei mit Zutaten, die man nur bekommt, wenn man seine Ohren nach allen Seiten offen hält sowie junge Leute dabei belauscht, wie sie neue Dinge zelebrieren, die Drum’n‘-Bass, TripHop oder sonst wie heißen. Get higher, maaan! Irgendwann hieß ein neues Ding aus Manchester auch mal „Rave“ – da stand Ryder mit den Happy Mondays ganz vorn. Bez, der wahnsinnige Eintänzer mit den Shakern, damals an Shauns Seite, fahrt derweil als Privatmann mit einem Kindersitz im Auto durch die Gegend. Rasseln tut hier nur noch der Junior.
Man hat sich heute ein wenig gedulden müssen mit dem Kollegen Ryder. Das Gepäck inklusive besagter Medizin wollte sich erst nicht nach Hamburg bequemen, und gegen 13 Uhr wurde erst einmal ausgiebig geduscht und gefrühstückt (Döner!). „Ich hasse es, Leute warten zu lassen!“ Schon in Ordnung – schön, daß er überhaupt erschienen ist. Noch vor einer Woche vermeldete ein englischer Fernsehkanal, Ryder hätte alle Band-Mitglieder rausgeschmissen und Black Grape aufgelöst. „Nein, die Band ist okay, wirklich!“ betont der andere leicht gestörte Insel-Affe neben Fußballgott Paul Gascoigne, bei dem einen nichts mehr verwundert hätte (sollten Gazza und er jemals einen dritten Mann zum Skat benötigen – wir würden Shane MacGowan empfehlen) – nachdem er seit frühester Jugend alles, was giftig ist und irgendwie besinnungslos macht, in sich hineinstopfte, – spritzte, -schnupfte. „Einzig und allein zwischen Kermits Management und meinem gab es Differenzen. Im Prinzip sind wir ja auch keine Band. Wir sind ein Team, das sich hin und wieder zusammenfindet. Ansonsten machen alle ihre eigenen Dinge.“
Kermit ist Shauns musikalische bessere Hälfte – bzw. war es. Denn nun hat Ryder nicht nur eine bessere Hälfte bei Black Grape. Der Rapper galt in Manchester bereits als Star, als er nur Dope verkaufte. Ende 1995 sprang er Freund Hein gerade noch mal von der Schippe, als Herz und Leber sich nicht mehr gewillt zeigten, seinen Lebenswandel länger zu akzeptieren. Kermits Ersatzmann Carl McCarthy (oder Psycho, wie er für seine Freunde heißt), ist inzwischen ebenfalls festes Mitglied der GrapeGang. Und Danny Saber längst mehr als nur der Produzent: „Der Unterschied zu ‚It’s Great When You’re Straight… Yeah‘ ist, daß Danny und ich diesmal im Studio allein gelassen wurden und wir machen konnten, was wir wollten. Auch sonst arbeiten wir beide zusammen, planen Soundtracks und so. Irvine Welsh will in seinem nächsten Film wohl eine Szene mit Black Grape auf der Bühne einbauen. Da sollen wir dann die Musik zu schreiben.“
Trotz der Blutsbrüderschaft: Ich möchte auch mit anderen arbeiten, klar, Mann. Mit allen, die interessant sind. Wie David Gilmour von Pink Floyd zum Beispiel. Ich finde, ‚Get Higher‘ ist sehr Floyd-mäßig. Brillant, wenn ich Dave treffen und dann machen könnte, was ich will. Ich höre alles! Vom Wu-Tang Clan bis Hanson.“
Ryder, der dieser Tage zurückgezogen in der Nähe von Cork, Irland, lebt, möchte auf die Presse nichts kommen lassen. „Ich kann mich nicht beschweren. Nur als es hieß, ich würde mir mit Blowjobs die Kasse aufbessern, wäre ich beinahe durchgedreht.“