K. D. Lang – Streitbare Nonkonformistin
Mit eleganten Interpretationen von Songs rund ums Inhalieren und Konsumieren bricht die ehemals streitbare Nonkonformistin K. D. LANG zu anderen Ufern auf
Manchmal geht alles schnell, entgegen allen Erwartungen. Noch gegen Ende letzten Jahres hatte k. d. lang für stummes Entsetzen bei ihrer Plattenfirma gesorgt: Lapidar hatte sie mitgeteilt, mit einem neuen Album solle man eher nicht rechnen – „in den nächsten fünf Jahren“. Doch schon im Januar diesen Jahres hatte die jetzt (wieder) in Los Angeles ansässige Kanadierin plötzlich „diese Vision“, sah „verschiedene Dimensionen“ des einen Themas vor ihrem geistigen Auge – und gerade mal vier Monate später sitzt sie schon in First-Class-Hotels herum, um dezent die Promo-Trommel fürs neue Album „Drag“ zu rühren. Aufatmen bei der Company. Wenngleich: Es gibt kein Video diesmal – „teure Zeitverschwendung“, mosert lang, zumal ihre Videos ohnehin keiner spiele.
Dem blauen Dunst als Metapher für kleine und große human tragedies war lang schon immer zugetan. Patsy Clines „3 Cigarettes In An Ashtray“ gehörte lange zu den Höhepunkten ihres Live-Repertoires, auf „ShddowLmd“ schenkte sie Harlan Howards „I’m Down To My Last Cigarette“ der Ewigkeit Doch auf „Drag“ geht’s exklusiv ums Rauchen – aber natürlich auch um mehr ab das. Nicht nur, weil lang genauso lang Nichtraucherin ist, wie sie sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt (nämlich schon immer) und bei ihren Auftritten Rauchverbot erteilt. Der Glimmstengel also als Sinnbild für Lust und Sucht, für die ewige Konstante im Auf und Ab des Alltags, für das neuerliche Verlangen nach Sex, ist der aktuelle Orgasmus erst mal vergessen. „Human need“, heißt das bei k. d. lang.
Die Klippen der political correctness, die zumal in den schadenersatzfreudigen USA steil aufragen und selbst dem scheuen Rehauge Winona Ryder zusetzten (weil sie in einem Film geraucht hatte, mon dieu!), umschifft lang dabei hochelegant. Natürlich sei ihr klar gewesen, daß das Thema „kontrovers“ diskutiert werde. Ihr sei es aber nicht um ein „persönliches“ oder gar „politisches Statement“ gegangen, viel mehr darum, eine möglichst „objektive Studie der Angelegenheit“ abzuliefern.
Was sich – gottlob – viel weniger trocken anhört, als es sich liest. So raubt sie „The Air That I Breathe“ das hymnische Pathos des Originals (The Hollies) und rehabiliert diesen Song ab sanftes „Schlaflied nach dem Sex“; dem Macho-Klassiker „The Joker“ krault lang verspielt die Eier weg. Craig Street (Cassandra Wilson), ihr neuer Produzent, habe „die Hände über dem .Kopf zusammengeschlagen“, ab sie mit diesem Steve-Miller-Oldie kam, erinnert sich eine gut aufgelegte lang lachend. Kein anderere Stück jedoch bringt den Tenor von JDrag“, dieses stete Zusammenspiel von Dunklem und Leichtem, besser auf den Punkt ab Jane Siberrys brillantes „Hain’t It Funny“ – eine emotionale Fata Morgana, der letzlich doch nur Banales entspringt: Er oder sie bt wirklich nur zum Zigarettenholen gegangen. Und nicht für immer. (Wenngleich das ja auch mal passieren soll, beim Gang zum Automaten…)
Erstmals seit ihrem Country-Klassiker „Shadowland“ (1988) zieht sich lang wieder ganz auf ihre Interpretationskunst zurück. Wirklich „befreiend“ sei das gewesen, den „intensiven Prozeß“ des Schreibens aussparen zu können, nachdem sie spätestens auf dem merkwürdig blassen (und relativ gefloppten) 95er-Werk „All You Can Eat“ im Strudel eigener Befindlichkeiten unterzugehen drohte. Frustriert haderte sie da mit ihrer Rolle ab öffentliche Person, mit der Szenerie des Ruhms, die sich nach dem Durchbruch mit „Ingenué“ (1992) und der „Grammy“-dekorierten Hit-Single „Constant Craving“ an ihre Fersen geheftet und sie selbst gesucht hatte.
Und erstmals in der nun 13jährigen Plattenkarriere stand ihr bei „Drag“ jener Mann nicht zur Seite, der bisher zu k.d. lang gehörte wie Pat zu Patachon: Ben Mink. Schon im Vorfeld von „Ingenne“ hatte sie Bedenken angemeldet, ob ihr Saiten-Spezi, Arrangeur und Co-Autor den Weg jenseits von Country weiter mit ihr gehen könne. Doch jetzt entwickelten sich die Dinge auf „natürliche Art und Weise“ auseinander. Und das im ganz ursprünglichen Sinne des Wortes: Mink istletztens zum zweiten Mal Vater geworden (wieder eine Tochter) und möchte es nun als family man, so lang, „etwas ruhiger angehen lassen. Unsere kreative Beziehung fußte immer auf dem Songwriting, aber diesmal wollte ich einfach singen und die Stimulanz neuer Leute suchen. Was nicht heißt, daß Ben und ich für alle Zeiten getrennte Wege gehen. Ich brauchte einfach ein bißchen Urlaub von ihm.“ Außerdem, erklärt lang, müsse man sich in Gegenwart neuer Leute „gut benehmen und die alten Gewohnheiten abschütteln“.
„Drag“ markiert einen interessanten Wendepunkt in längs Karriere, die nun -jenseits großer Erwartungen von außen wie „von mir selbst aus“ – wieder offener erscheint. Sogar für Dinge, die sie nach „AU You Can Eat“ (lang: „Das war ein wichtiger Wendepunkt für mich“) schon voller Selbstzweifel zu den Akten gelegt hatte. So fühlt sie sich „durchaus inspiriert“, wieder eifrig in Drehbüchern zu wühlen, um ihrem Leinwand-Debüt als kantiger Eskimo-Androgyn im peinlich mißglückten Schnee-Melodram „Salmonberries“ (von Percy Adlon, 1991) weitere Kino-Auftritte folgen zu lassen. Es gebe „vielleicht doch ein paar Dinge, die ich nur vor der Kamera ausdrükken kann. Denn mich schränkt meine Stimme schränkt in meinem stilistisches Spektrum doch ein“.
Selbst in der Rubrik „Produziert von“ dürfte ihr Name künftig öfter auftauchen. Die erste Arbeitsprobe mit The Murmurs, der Band ihrer derzeitigen Lebensgefährtin Leisha Hailey, wird dieser Tage veröffentlicht, „eine Mischung aus den frühen Veruca Salt und den Go-Go’s“, sagt lang, die für weitere Angebote jederzeit offen“ sei. Daß sie mit der lustigen Girlie-Band hinter ihre eigenen Ansprüche, die sie bereits vor einer Dekade entschlossen formulierte, zurückfallt, bedeuet lang heute kein Problem.
Vielleicht sollte es im Leben der k.d. lang öfter mal schnell gehen. Auch, wenn es dadurch schwieriger wird. Wie neulich, als Joni Mitchell anrief und sie bat, lang möge doch „Help Me“ für ein bislang unveröffentlichtes Tribute-Album singen. Text, Phrasierung und Melodie seien bei Mitchell einfach „so eng miteinander verwoben“, daß selbst sie, lang, daran scheitern könne – eine Interpretin immerhin, der riickblikkend gar kein Song einfallen mag, den sie unter seinem Wert verkauft hätte. „Aber wenn es je einen Song gegeben hat“, so k. d. lang respektvoll, „bei dem ich Angst hatte zu versagen – dann bei diesem.“