Mit den Füßen nach vorn
Seine alte Umzugsfirma hat Johnny Dowd noch nicht aufgegeben, musikalisch sucht er aber nach neuen Inspirationen
Berlin ist keine Stadt wie jede andere für Johnny Dowd. Auch wenn „diese Jahre“ nur noch „wie ein Dunstschleier“ durch seinen Kopf ziehen. Schließlich war’s anno 68/69 „das Interesse an Drogen, das wir gemeinsam hatten“. Die Studenten gegen Vietnam und der 20-jährige GI aus Oklahoma. „War merkwürdig, zu dieser Zeit in der Army zu sein. Diese Demonstranten waren ja so alt wie ich, wir waren prinzipiell auf ihrer Seite, nur halt in der Army.“ Mit 53 erinnert Dowd „ein paar weniger angenehme Erlebnisse, aber es war schon ok“.
Nicht ganz so ok wie seine Zolar Moving Company in Willseyville/New York, die er immer noch nicht veräußert hat. „Ich dachte, es würde mehr Geld rausspringen. Heute kann ich die Musik sehen als das, was sie ist: ein Job, der meine Umzugsfirma ergänzt, Wenn ich deine Möbel unbeschädigt in dein neues Haus bringe, bist du happy. Wenn ich eine Show spiele und Johnny hat dich gut unterhalten – genau dasselbe. Es ist nicht so verrückt, wie ich gedacht hatte, aber es ist real, keine Fantasie mehr in meinem Kopf. Und das ist dann auch eine Definition von Glück. Aber die Firma werde ich wohl nie aufgeben können. Mein letzter Umzug wird in einem Leichenwagen stattfinden mit mir in der Kiste.“
Dowd lacht Typischer Dowd-Humor. So typisch wie das neue Album „Cemetery Shoes“. Auf dem Cover sollten eigentlich die Schuhe sein, die jetzt nur die CD selbst zieren. Dowd „hielt das für lustig. Wenn jemand im Sarg liegt und seine Schuhe fotografiert.“ Die Plattenfirma fand’s weniger lustig. Also knipste ihn seine Frau Kat Dalton, die von Beginn an für sein Design verantwortlich war, auf diesem alten Friedhof mit den Hügeln und den verfallenen Grabsteinen, ein paar Blocks von ihrem Haus entfernt. Dowd weiß, dass sein Paranoia-Kosmos um Begehren, Schuld, Mord und Totschlag nach sechs Alben in sechs Jahren ausgereizt ist, dass „Parodie und Kopie zweifellos nahe“ sind. So spielt er am Schluss einfach mal ein Surf-Instrumental. Titel: „Rip Off“. Über Jahre, erzählt Dowd, sei er selbst „mein bester Unterhalter“ gewesen, „wenn ich drei Tage am Stück in der Gegend rumfuhr, und dieser Film in meinem Kopf lief‘. Doch zuletzt habe er mit seiner Frau versucht, „auch Dinge schätzen zu lernen, die außerhalb stattfinden. Denn ich bin gelangweilt von mir selbst Dieselben Gedanken, dieselben Unsicherheiten. Es wäre eine Erleichterung, empfänglich zu sein für was anderes.“ Die ersten Schritte sind gemacht Sally Timms von den Mekons hat ihr neues Solo-Album im Studio von Dowd aufgenommen, das auch als Zolar-Büro dient, und dabei „The World Of Him“, einen für sie verfassten „gender confusion song“. Dowd: „Er ist anders als alles andere von mir, fast so, als ob jemand anders das getan hätte. Es ist so toll, jemanden mit einem meiner Songs zu hören, der wirklich singen kann.“ (lacht) Chuck Prophet zieht ein Dowd-Cover immerhin in Erwägung.
Und dann waren da noch diese zwei Auftritte mit seiner Frau in Den Haag und London. Ihre Kurzfilme, seine Musik dazu, Spoken Word-Passagen. Dowd hofft auf eine Theater-Tour mit diesem Programm durch Holland. „Was ich gern machen würde, auch wenn es kommerzieller Selbstmord wäre: nur noch Musik. Ich hab Tonnen von Instrumental-Tracks zu Hause. Dazu vielleicht ein paar Gedichte. Die Worte machen alles so spezifisch, so anfällig für Missverständnisse. Ich rede und rede und rede, und schreibe neue Songs, und manchmal denke ich mir: Shut up! Just shut the fuck up, you know!“ We know, Johnny, we know.