Mit dem optimistischen Album „“Bounce“ sind Bon Jovi sehr zufrieden. Dafür kritisieren sie jetzt ihren kriegerischen Präsidenten – und Nachbar Springsteen
Es ist ein guter Tag für ein Interview mit dem vermeintlichen „Traummann“, der gerne mal muffig ist oder dermaßen professionell-unverbindlich, dass jede Antwort vorgefertigt klingt. Heute ist Jon Bon Jovi so entspannt, dass er sogar die Sonnenbrille abnimmt. Am Tag zuvor spielten Bon Jovi im Londoner Shepherds Bush Empire, vor gerade mal 2000 Leuten. Ein Mini-Konzert für eine Band, die das Wort „Stadion-Rock“ geprägt hat. Andererseits war alles wie immer: Whoa-ohs, Händeklatschen, Mitsingen. Als Überraschung kam Ray Davies auf die Bühne und sang „Celluloid Heroes“ mit Jon im Duett. „Selbst die müden Kritiker sind aufgestanden“, grinst Bon Jovi: „Die Jüngeren wussten wahrscheinlich gar nicht, wer der Typ ist. Ich habe ihn angerufen, weil ich die Kinks immer geliebt habe. Ich habe manchmal so Ideen, die keiner versteht und die dann doch funktionieren.“
Das neue Album, „Bounce“, ist nicht seltsam, aber es funktioniert auf jeden Fall. Schon beim Konzert fügten sich die neuen Songs mühelos zwischen die Hits ein.
Zumindest zwei der neuen Lieder, „Undivided“ und „Bounce“, beziehen sich direkt auf den 11. September. Warum ausgerechnet Bon Jovi das Thema verarbeiten? „Es war eben eine traumatische Erfahrung. New York ist ja praktisch mein Hinterhof. Ich konnte nicht einfach nichts dazu sagen. Zugleich wollte ich kein ganzes Album darüber schreiben. Es gab ja noch 364 andere Tage im letzten Jahr. Und ich hätte es auch etwas anmaßend gefunden, mich zum Beispiel in die Rolle eines Witwers zu versetzen. Ich habe einiges geschrieben und wieder verworfen. Wie kann man sich denn in die Rolle eines Witwers versetzen? Das fiktionalisiert die Situation nicht nur, es trivialisiert sie auch. Ich schätze, meine Songs zu dem Thema wären genauso gut gewesen wie alles auf ‚The Rising‘, aber ich wollte sie nicht veröffentlichen. Es wäre anmaßend gewesen. Er zwickt noch einmal kurz die Augen zusammen, wie er es immer tut, wenn er nicht genau weiß, ob er das Richtige gesagt hat. Dann nickt er. „Zu anmaßend.“
Die Spitzen gegen Springsteen klingen natürlich wie die eines Sohnes gegen den übermächtigen Vater, aber das mag man dem von der Kritik so oft gescholtenen Songschreiber verzeihen. Wenn er sich nicht selbst lobt, wer dann? Er winkt ab bei der Frage, ob er seine Band für unterschätzt hält, aber schließlich verteidigt er sie doch: „Ich kann nur sagen, dass wir die Zeit auf unserer Seite haben. 20 Jahre sind doch etwas wert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir an jede Radio-Tür geklopft haben. Es war ein Kampf, aber es hat sich doch gelohnt. Mein Leben kommt mir jeden Tag wie ein Traum vor. Jeden einzelnen Tag.“
Mit George W. Bush kann sich der Glückselige indes gar nicht abfinden. Da wird er mal richtig laut und lässt die Freundlichkeit einen Augenblick sausen: „Ich mag den Typen überhaupt nicht. Ich habe seinen Vater vielleicht respektiert, auch wenn ich selten seiner Meinung war. Er hatte immerhin eine Karriere hinter sich, als er Präsident wurde. Sein Sohn hatte nicht einmal einen verdammten Pass.“
Jon Bon Jovi schon, und den braucht er auch für die kommende Welttournee. Das Erstaunliche bei Bon Jovi-Konzerten ist ja, dass es Rock-Shows sind, während auf den Alben nun immer dermaßen viele Balladen sind, dass man fast vergessen könnte, dass dies keine Kuschelkombo ist. Wie kommen die denn da hin? „Ich bin nun mal ein alter Romantiker, was soll ich machen.“ Sagt’s, lächelt – und fragt dann doch vorsichtig: „War das ein Tadel?“ Schon. Einen Moment stutzt er. Dann grinst er wieder: „Akzeptiert. Ich erwarte von Journalisten ja keinen Beifall. Just a little respect, you know.“