Miss Thompson und Miss Helene Hegemann beim bewaffneten Osterbrunch
Miss Thompson bekam zu Ostern Besuch von "Axolotl Roadkill"-Autorin Helene Hegemann. Statt Eierfärben stand ein Besuch im L.A. Gun Club auf dem Programm. Na dann, Miss Thompson - schießen Sie los!
Miss Helene Hegemann war auf Besuch in LA.
Ihr war ein bischen langweilig, da dachte Miss Thompson sich was aus und überredete Miss Hegemann doch mal eine klassische „Smith&Wesson“ auszuprobieren. So wie das der junge Amerikaner an Ostersamstag das offenbar so tut.
Sehr später Ostersamstag-Nachmittag, Downtown, LA, wir nahmen den alten, dreckigen BMW. Miss Hegemanns silbriger Porsche Panamera musste zu Hause bleiben.
Miss Hegemann und ich hatten uns gedacht, es wäre EINE Möglichkeit am Ostersamstag-Nachmittag ein paar Kugeln abzufeuern. Das ganze Beach-Ding hing uns zum Hals raus.
Wir hatten noch nie Kugeln abgefeuert und Patronen gewechselt. Und wir wollten so gut werden wir Nikita. Und wir wollten ja Amerika verstehen. Ohne mal geschossen zu haben, ging das NICHT.
Na dann, auf zum LA GUN Club.
Ich weiß, das klingt wahnsinnig glamourös, LA Gun Club. Doch eine dezente Enttäuschung erwartete uns. Der Kasten sah sehr hässlich aus. Wie ein Jugendheim mit kaputten, ausgeblichenen Buchstaben. Das L und das A fielen schon beinahe ab.
Drinnen: der Style einer Ausländerbehörde und tatsächlich, wir mussten so lange auf einen Schiess-Stand warten, wie auf einen Schalterbeamten. 45 to 50 Minutes!
Und das zwischen Kopien in Klarsichtfolie, die uns die Gewehre der Welt erklärten. Direkt neben dem Süßigkeitenautomat: das erste Gewehrlein (nicht das größte) mit Hakenkreuz und einem 2.WK-Soldat, der es hält. Egal wo man hinkommt in der Welt. Selbst in einem Schieß-Stand im kaputten LA, Hakenkreuze und 2.WK sind überall. So dominant und unpassend wie Kinderüberraschungseier in China oder MILKA in Südamerika.
Ein busy Ostersamstag hier: zwei Deutsche, die Oreo-Kekse kauen und wie Miss Hegemann über Oreokekse-Eis philosophieren können (also wir), Kids aus Koreatown und Latino-Babes in Minis und Turnschuhen, WASP-Päarchen (er mietet ein MG, sie mietet ein kleine James Bond-Handwaffe, trägt aber auch eine kurzes Röckchen wie die Latino-Babes, doch sie ist unterwürfiger) eine Gruppe von Girls, die nach Prenzlauer Berg aussehen, im Hintergrund läuft Tina Turner. Keine Gruppe spricht mit der anderen. Keine Gruppe ist über 40.
Das ist also das „Am Ostersamstag zum Schießen gehen“- Publikum. Erste Frage: Worauf schießen wir? „Zombie ist uns zu langweilig, stimmts?“ sagt Miss Hegemann und da hat sie recht. Was gibt’s noch? Papier-Poster NUR mit Auto zum drauf schießen (alte RAF Romantik?) Poster mit einem Vermummten, Poster mit einem Geschäftsmann mit Aktenkoffer (Kokainhändler?) Und nur ein Poster, auf dem der Typ zurückschießt. Doch lieber ganz normale Zielscheibe nehmen? Och nööööö, lieber eine „Figur“.
Miss Hegemann ist ja noch nicht alt genug zum Schießen, also sag ich unserem zuständigen Schießbetreuer, sie ist meine sehr anspruchsvolle Nichte aus Germany, er wisse schon…
Ausweis bitte, und dann kann es auch schon losgehen. Wir unterschreiben ein Papier. Es bestätigt, wir waren noch nie in der Irrenanstalt, wir geben dreimal Fingerabdrücke ab, wer weiß wofür es gut ist? Vielleicht ist das schon der Todesstoss bei der nächsten Einreise?
Schießbetreuer José knipst ein Auge und sagt wir sollten bloß nicht lügen, mit der Irrenanstalt. José berät wie in einem Herrenfachgeschäft. Bevor man zur MG greift, empfehle sich eine klassische „Smith&Wesson“ mit jeweils fünf Patronen, so für den Anfang, es ist besser . „Ihr habt ein besseres Gefühl danach.“ Wir vertrauen José blind, wir würden ihm sofort alles abkaufen. Dann, beim nächsten mal, sagt José, könnten wir schon zur anspruchsvolleren Variante greifen. Wir hatten uns schnell als Schießposter auf einen Vermummten geeinigt, einen im Tarnanzug, wahrscheinlich ein Rebell aus Kuba, gemischt mit einem deutschen Hausbesetzer. DIE Kombination für den Anfänger.
Dann war es erstmal nicht GANZ so lustig, für circa 5 Minuten, 4 eiskalte Pfoten, die eine Pistole halten, ein Wahnsinnsgeballer von rechts und links (eine süße Koreanerin heult gleich und ein Country-Typ neben uns hat Freude an der MG) und die Einsicht: A) Wenn man mit der „Smith&Wesson“ jemanden trifft kann er tot sein. B) Wenn jemand hier gelogen hat und schon mal in der Irrenanstalt war (oder auf Medikamenten ist), kann er quasi alle rechts und links neben sich umlegen. So schnell kann der Schießbetreuer mit einer 60iger Magnum in einer Handytasche gar nicht gucken. So wollte am Ostersamstag aber niemand sterben, und wahrscheinlich stirbt man auch in Amerika so genau nicht. In geschlossen Räumen wird seltener geschossen. Sarah Palin schießt in ihrer TV Sendung nur auf Elch-Kühe, die sehr weit weg stehen. Sonst kann das ja jeder.
Gut, dass wir unser Poster mit dem Rebellen hatten.
Da starrten wir jetzt drauf. Miss Hegemann, muss man sagen, schoss ganz ausgezeichnet. Ihre Haltung: vorbildlich. Die Haare: glänzend, ich war neidisch. Miss Hegemann äußert umgehend den Wunsch, wenn sie die Stadt hier wieder verlässt, wolle sie das nur voll ausgebildet tun. Ab dem zehnten Schuss: Hände aufgewärmt, wir schnatterten uns die Anspannung weg und tauschten profimässig die Patronen aus, ja das ging doch super. Es war ein Anfang. Heute hatten wir ja nur 40 Dollar verballert, doch wir hatten den Rebellen nicht richtig getroffen, das müsste sich noch ändern. Wir schauten auf den zerfetzten Hausbesetzer/Rebellen/Papier-Face/Pudelmützenträger (siehe Foto). Es war abartig, ekelig. Waren wir das? Yes. Lieber Zielscheibe beim nächsten mal, da muss man nicht kurz würgen. Miss Hegemann hatte kurz echte Bedenken.
Wir waren hier nicht allein. Die süße Kassiererin im Gun Club sagte uns, die Woche über würden ja extrem viele Frauen kommen „so zwischen 6 und 8 Uhr“ und sich den Druck einer ganzen Woche wegschießen.
„Aha? Wir dachten immer das machen Frauen mit Yoga?“
Nicht wirklich, sie kämen von überall. Und Männer: selten dabei. Es kämen mehr „Ladies. Sie sagen sie sind so ruhig nach dem Schießen, so aufgeräumt. So klar.“
Wir konnten die Ladies verstehen. Vollgepumpt mit „Oreo“ fuhren wir dermaßen entspannt Richtung Hollywood, nie könnte eines der beliebten Beruhigungs-Medikamente mit dieser Ruhe aufnehmen.
>>>>Alle Abenteuer von Miss Thompson kann man hier nachlesen