Miss Thompson in: The People vs. Lindsay Lohan
Lindsay wird hart rangenommen. Der Richter Keith L. Schwartz im Airport Courthouse Los Angeles hatte ihr zu verstehen geben: wenn sie sich schuldig bekennt geklaut zu haben, geht sie in den Knast. Wenn nicht, auch.
“Bladerunner”-Morgen in Los Angeles. Hartes Licht, Autos, Autos, Autos, Autos. Vom neunten Stock des Gerichtsgebäude am Flughafen schaut man über fünf Freeway-Straßen, die sich wie in einem Film über die Zukunft übereinander legen. Es ist 8 Uhr 10. Lindsay wird gleich einlaufen. Gerichtsangestellte – jetzt noch in Micky Maus-Jacken (Männer) und Schuhen in Prostituierten-Höhe (Frauen) unterwegs, gleich in seriöseren Roben – weisen uns den Weg.
Vom neunten Stock ist es einfach zu sehen, wann das Zirkuspferd Lindsay reinreitet. Ihr SUV-Auto wird von drei Helicoptern über dem Freeway begleitet. Drinnen: Paparazzi. Kameras. Die Rotblonde wird von allen Seiten angeglotzt.
Lindsay Look heute: weiße Marlene-Hose (der Hintern ist gut zu sehen), schwarze Domina-Heels (Yves Saint Laurent), Chanel-Top, Handtasche: Lanvin. Diesmal keine nackten Beine, dafür ein bisschen Busen. Und: die Haare! Lindsay hat sie zu einem großen Pferdeschwanz zusammengebunden. Diese Haare machen einen wahnsinnig. Man kann sie nicht begreifen, aus welchem Material sind sie? Aus Haaren von anderen Menschen? Exakt diese Haare trägt Mutter Dina Lohan.
Ich sitze hinter ihr, ihre Mähne hängt über dem Stuhl, sie berührt meine Knie so lang ist sie, die Mähne. Sie riecht nach nichts, kein Haarspray oder so. Ein 14jähriger Internetjungunternehmer/Websiten-Gründer und ich schnuppern.
“Nee, ich rieche nichts. Warte, ich muss aber noch schnell twittern, dass Lindsay’s Mutter ihre einstweilige Verfügung gegen Lindsay’s Vater immer in der Handtasche bei sich trägt” sagt der 14jährige. Er arbeitet für “Rumourfix”. “Eine Seite, die Gerüchte klarstellt. Willst du was über unser TV-Projekt wissen?” Später.
Lindsay Richter nimmt Platz. Imposanter Typ, schlimmer, zackig rasierter Bart. Ihr letzter Richter am Gericht in Beverly Hills war ein ganz Netter. Er sprach zu ihr wie ein Therapeut. Er sagte: Mädchen, du bist eine Süchtige und du brauchst Hilfe, und es klang so nett und beinahe zart wie ein Leonard Cohen-Song.
Heute ist aber Keith L. Schwartz an Bord. Keith sagt, was los ist. Wenn sie hier schuldig gesprochen wird, dann heißt das “Gefängniszeit!” Er wiederholt das Wort, und jedes Mal presst Lindsay die neuen Lippen zusammen (so gut es geht.) Schwartz hat Null Interesse, als verständnisvoller Onkel zu erscheinen, er hat sich ein paar Western angeschaut, in denen nichts als die absolute Härte des Gesetzes demonstriert wird. “Ich habe dich noch nie getroffen bis vor der letzten Verhandlung. Und du mich noch nie. Aber ich bin der Typ, der jeden gleich behandelt.” Lindsay solle nicht glauben, sie sei etwas Besonderes, sie sei verdammt noch mal “wie jede andere auch.”
Grosser Moment der Lüge um 9 Uhr 15. Lindsay ist nicht wie alle anderen.
Amerika versucht gerade zu erzählen, der Klau einer kleinen Kette würde für jeden gleich ausgehen. Und für jeden das gleiche bedeuten. Wenn dir aber drei Hubschrauber folgen, nur weil du einen Termin vor Gericht hast, und deine Anwesenheit an einem Flughafen irgendwo auf der Welt (ganz harmlos, mit Milchshake und Sonnebrille) Magazine dazu bringt, drei Seiten für die frei zu räumen? Was ist dann? Und wenn das Kleid, das du vor Gericht trägst, am anderen Tag ausverkauft ist, nur weil du es getragen hast? Dann bist du eine ernstzunehmende, florierende Industrie, ein Geschäftszweig, eine Bekämpferin der Rezession! Menschen wollen so sein wie du. Warum auch immer. Vor dem Gericht stehen an diesem Morgen die Übertragungswagen ALLER amerikanischen TV Sender. Das Lindsay-Leben ist nicht mehr Filme drehen. Es ist Gerichtsaal, eventuell Gefängnis, rauskommen, Bombe aussehen nach der Entzugsklinik – und dann wieder von vorne. Strafe? In diesem Moment ein sehr gutes Marktinginstrument, um die Firma zu festigen.
Elvis hat das Gebäude verlassen. Lindsay kaute ein wenig auf ihren Lippen, als sie in den Fahrstuhl stieg. Geweint wurde nicht, auch kein “Fuck” Finger.
Der Vater Michel Lohan wartet vor dem Fahrstuhl bis sich die übliche Reporter-Traube um ihn gebildet hat. Sein Gesicht ist rot angelaufen, er hat eine befreundete Therapeutin zum Gmitgebracht. Sie trägt ein Fake-Chanel-Kostüm, Nylonstrümpfe in offenen Schuhen. Ob Therapeuten hier so aussehen? “Ich sage immer zu Michael zwischen ihm und seiner Frau muss eine Menge Liebe gewesen sein, damit jetzt soviel Hass möglich ist.” merkt die Therapeutin an. Die fragende Traube steigt mit Lohan in den Fahrstuhl.
Michael, was wird passieren?”, fragt jemand von der LA Times.
“Lindsay muss da raus. As Kind hat sie einen Vertrag unterschrieben, dass ihre Mutter 20% ihrer Einkünfte erhält. Das muss aufhören!”
“Kann man als Kind einen Vertrag unterschreiben?”
“Lindsay verdient eine Menge. Sie hat eine Schuhkollektion in Russland”, sagt Michael, aber jetzt sei es Zeit für Therapie.
Scheinbar nicht bei der Frau im falschen Chanel-Kostüm. Nicht berühmt genug.
“Ich hatte einen Anruf von Bill Clintons Ex-Therapeutin. Sie will Lindsay Fall übernehmen. Eine Wahnsinnsfrau.”
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