Migrant mit Hintergrund
Seine Filme pendeln zwischen Dokumentation und Melodram, Hamburg und Istanbul, Gangster-Milieu und Buchladen. Seit „Kurz und schmerzlos“ von 1998 verbindet Fatih Akin so virtuos wie leichthändig die Liebe zum Kino von Scorsese und Visconti mit Genre-Filmen, Neo-Realismus und dem Eklektizismus von Quentin Tarantino. Akins neuer Film „“Soul Kitchen“ ist in Hamburg-Wilhelmsburg angesiedelt – und eine richtige Komödie.
Der Hamburger Filmemacher und Produzent Fatih Akin ist der Goldjunge des deutschen Kinos: Sein Liebesdrama „Gegen die Wand“ gewann 2004 auf der Berlinale den Goldenen Bären, drei Jahre später verlieh man ihm in Cannes den Preis für das Beste Drehbuch für „Auf der anderen Seite“. Und nun hat der 36-Jährige mit „Soul Kitchen“ seine erste echte Komödie gedreht – und dafür prompt auf den Filmfestspielen in Venedig den Spezialpreis der Jury erhalten. Der Film erzählt von der Gentrifizierung in Hamburg, am Beispiel des etwas heruntergekommenen Restaurants „Soul Kitchen“. Adam Bousdoukos schlittert als Wirt Zinos von einem Problem zum nächsten: Seine Freundin Nadine (Pheline Roggan) muss aus beruflichen Gründen nach Shanghai, sein kleinkrimineller Bruder Illias (Moritz Bleibtreu) sucht als Freigänger bei ihm Unterschlupf, und der exzentrische neue Starkoch Shayn (Birol Ünel) vertreibt mit seinen lukullischen Kreationen die alten Stammgäste. Während Zinos überlegt, wie er den Laden los wird, um Nadine nach China zu folgen, locken Musik und die ausgefallene Speisekarte immer mehr Szene-Publikum nach Wilhelmsburg. Das kleine Idyll im Industrie-Viertel wird zum lukrativen Spekulations-Objekt.
Ich treffe Fatih Akin in seinem Büro im Portugiesen-Viertel, direkt am Hafen. Hier hat auch die Produktionsfirma corazön international ihren Sitz, die der Regisseur zusammen mit seinem Partner Klaus Maeck betreibt. Akin ist trotz seiner türkischen Wurzeln ein waschechter Hamburger, aufgewachsen in der Funk- und HipHop-Szene. Leidenschaftlich und mit wachen Augen erzählt er vom Kino und seiner Heimatstadt.
Ihr neuer Film „Soul Kitchen“ sollte seine Premiere ursprünglich auf dem Filmfestival in Cannes feiern. Doch der Musiker Jan Delay hatte Bedenken, und Sie haben ihm geglaubt. Was war da los?
Ich wollte, dass Jan für „Soul Kitchen“ einen Song schreibt. Deshalb haben wir bei mir im Büro zusammen die Version geguckt, die eigentlich bei den Filmfestspielen in Cannes laufen sollte. Es gefiel ihm recht gut, aber er fand, der Film sei noch nicht ganz fertig.
Was hat ihn denn gestört?
Das war eine Club-Szene, in der zwei Plattenspieler geklaut werden. Während einer HipHop-Party, die wir gegen Ende der Dreharbeiten gefilmt haben. Es war sehr anstrengend, die Komparsen waren ziemlich jung, deshalb haben wir einen Teil nach Hause geschickt. Doch mit 12 oder 13 Leuten, die in einem Riesenraum herumstehen, während HipHop läuft, kann man nun mal keine Party machen. Jan hat mir wegen dieser Szene ziemlich die Leviten gelesen.
Und dann?
Dann bin ich in mich gegangen und dachte: Ja, er hat recht, eigentlich sollte ich noch an dem Film arbeiten. Also entschieden wir uns, nicht nach Cannes zu gehen. Ich habe geweint deswegen, denn wir hatten so viele Jahre darauf hin gearbeitet. Am Set hab ich immer gesagt: Mädels, macht euch bereit für Cannes! Und dann hat es doch nicht geklappt.
Stattdessen haben Sie nachgedreht.
Genau. Ich fand es ohnehin nicht fair, dass man HipHop-Leuten die Plattenspieler klaut. Wenn schon, dann bei Electro-Leuten. (lacht) Den Club haben wir dann richtig voll gemacht und auch viele junge Frauen dazu geholt. Als Jan den Film bei der Premiere gesehen hat, war er begeistert.
Eigentlich sind urbane Rituale und glaubwürdige Typen ein großes Talent von Ihnen. Das zeigt auch „Soul Kitchen“, das die Schrecken einer Gentrifizierung im Zeitraffer durchspielt. Woher kommt das Interesse an HipHop-Szene und trashigen Clubs?
Clubs und Szene sind wesentliche Eckpfeiler meines Lebens: Ich war bereits mit 12 zum ersten Mal in einer Disco. Ich bin immer viel ausgegangen, und eigentlich tue ich das auch jetzt noch. Aber so langsam muss man aufpassen, dass man nicht der Älteste wird, (lacht) Stärker als alle anderen Ihrer Filme stellt „Soul Kitchen“ die Stadt Hamburg und ihre Bewohner in den Mittelpunkt. Darf man das einen Heimatfilm nennen?
Beim klassischen Heimatfilm ist ja die Landschaft sehr wichtig. Ich bin allerdings ein sehr urbaner Typ – meine Heimat ist die Großstadt. Nach Ausflügen nach New York und Istanbul hatte ich jetzt das starke Bedürfnis, einen Film über Hamburg zu machen. Der Hamburg-Bezug von „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ ist ja eher austauschbar. Ich wollte etwas machen, was den Klang der Stadt hat, was die Stadt so wiedergibt, wie sie ist.
Was unterscheidet Ihr Hamburg von dem des offiziellen Stadt-Marketing?
Mein Hamburg ist nicht touristisch, und es gibt immer auch einen biografischen Bezug zu Plätzen wie dem „Mojo Club“, der „Astra Stube“, dem Frappant-Gebäude in der Großen Bergstraße. Hamburg ist eindeutig meine Heimat. Wenn man das im Kontext meiner vorherigen Filme sieht, handelten die eher von Menschen, die eine Heimat gesucht haben.
Darum geht es jetzt also nicht mehr?
Nein, meine Helden haben ihre Heimat gefunden, die wissen, wo sie hingehören. Und wenn sie weggehen wollen, dann sagt ihnen jetzt das Schicksal oder der Filmemacher: Nee, bleib da! Bleib da, wo du hingehörst! Ich hatte einfach das Gefühl, ich bin der Stadt noch einen Film schuldig. Mein Kumpel Adam Boudoukos, der den „Soul Kitchen“-Betreiber Zinos spielt, behauptet, das sei Quatsch. Aber das stimmt nicht. Die Stadt war gut zu mir und hat mich immer beschützt.
Hat es Sie geärgert, dass viele Ihrer Filme auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken reduziert wurden?
Von meiner Professorin an der HfbK, Frau Sander, habe ich gelernt: Mach Filme über das, was du kennst. Deswegen habe ich die Liebesgeschichte von „Gegen die Wand“ in einem deutsch-türkischen Milieu angesiedelt. Doch eigentlich ging es mir darum zu zeigen, dass Liebe die Möglichkeit hat zu retten. „Auf der anderen Seite“ hätte genauso gut im Grenzgebiet zwischen USA und Mexiko spielen können. Dass es die Linie zwischen der Türkei und Europa ist, die im Film eine Rolle spielt, war nicht das Entscheidende.
Haben die Medien Sie falsch interpretiert?
Ich habe ein Bild gemalt, aber der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit lag eher auf dem Rahmen. Irgendwann war ich es leid, immer nur über diesen Rahmen zu sprechen. Und wenn ich in Zukunft etwas über das Verhältnis von Deutschen und Türken erzählen will, dann werde ich entsprechende Bilder und Symbole dafür finden.
Sollte man Stammtisch-Politikern wie Thilo Sarrazin nicht etwas entgegensetzen?
Ich fühle mich nicht aufgefordert, dazu einen Kommentar abzugeben. Was immer ich zu diesem Thema auf dem Herzen hatte, habe ich zu Ende erzählt: In „Kurz und Schmerzlos“ waren die Helden noch Klein-Ganoven, danach spannt sich der Bogen von den Proletariern in „Gegen die Wand“ bis hin zu den Germanistik-Professoren in „Auf der anderen Seite“. Irgendwie sind wir ja angekommen in der Mitte – zumindest in meinen Filmen. Und wenn diese Filme irgendwie widerspiegeln, was dort draußen passiert, dann ist meine Reise damit zu Ende. Dann möchte ich mich anderen Themen widmen. Sarrazin ist für mich etwas Reaktionäres von gestern.
Viele der Drehorte von „Soul Kitchen“ werden bald abgerissen oder existieren schon nicht mehr – wie der legendäre „Mojo Club“. Ist Ihre Liebeserklärung an Hamburg auch eine leise Kritik an deren Konzept der „wachsenden Stadt“?
Wir haben diese Plätze ganz bewusst ausgewählt, denn der Film handelt ja auch von Gentrifizierung. Wir Hamburger reden gerne davon, dass wir eine Weltstadt sein wollen. Doch echte Weltstädte, wie Paris, Rom oder New York, kümmern sich um ihre alten Gebäude. Bei uns dagegen ist das Gewachsene vom Abriss bedroht. Das historische Gängeviertel soll verschwinden, damit holländische Investoren dort noch einen weiteren Büroturm bauen können.
Hamburg tut sich mit dieser Förderung von Immobiliengeschäften keinen Gefallen, die Kritik an diesem Vorgehen ist derzeit groß.
Ich kenne das auch aus der Türkei. Da lässt man die wunderschönsten Gebäude einfach verfallen, weil das Geld nicht da ist, um sie zu renovieren. Und dann kommt die Parkplatz-Mafia und zündet Feuer an. Damit die Häuser abgerissen werden können und an der Stelle ein Parkplatz entsteht. So macht die Parkplatz-Mafia Geld, in Übereinstimmung mit der Regierung.
Glauben Sie, dass es in Hamburg ähnlich zugeht?
Hamburg macht das nicht mit der Parkplatz-Mafia, sondern mit der Immobilien-Mafia. Wir haben das Haus, in dem die Hauptfigur Zinos wohnt, deshalb ganz bewusst gewählt. Das sollte nicht den Stadtteil-Folklorismus von Schanze, Altona oder St. Pauli haben. Deswegen wohnt Zinos im letzten altertümlichen Haus am Gänsemarkt, dort, wo es fast nur noch Bürotürme gibt. Das Haus symbolisiert den Charakter von Zinos.
Sie selber wohnen in Ottensen. Spüren Sie den Umbruch auch in Ihrem Viertel?
Klar, da wird gerade wieder mal ein alter Bunker abgerissen, um einen Neubau hinzustellen. In unserem Altbau fallen mir deshalb die Heizungen von den Wänden, und das Gebäude kriegt Sprünge.
Die verantwortungslose Politik, die diese Stadt ihrem kulturellen Erbe gegenüber betreibt, ist wirklich traurig.
Das Restaurant von Zinos, an dem Sie die Folgen der Gentrifizierung zeigen, liegt allerdings nicht im vertrauten Ottensen, sondern im südlich der Elbe gelegenen Wilhelmsburg. Einem heruntergekommenen Industrie-Viertel, dass seit einiger Zeit mit städtischen Geldern und Konzepten aufgewertet werden soll.
Mir hat die Idee gefallen, dass der Held auf der anderen Seite der Stadt lebt und zur Arbeit über den Fluss pendeln muss. Diese Überquerung macht das Ganze visuell. Ich habe aber auch Freunde, die ein Cafe eröffnen wollten und denen die Mieten in der Schanze oder in Altona zu teuer waren. Die sind dann nach Wilhelmsburg gegangen, wo es deutlich billiger ist.
Die Klientel dort ist aber zunächst einmal eine andere. Malocher und Biker statt Hipster und Szene-Typen.
Ja, aber diese Bevölkerungsstruktur wird sich schnell ändern. In Ottensen hat die Gentrifizierung längst stattgefunden, da kann man kein Vorher mehr zeigen.
Der Immobilienmakler in „Soul Kitchen“ ist kein Klischee-Typ im Nadelstreifenanzug, sondern ein alter Kumpel von Zinos. Ein Fiesling in Parka und schmal geschnittenem Szene-Anzug. Wardas Absicht?
Als ich eine Wohnung gesucht habe, habe ich viele solcher Typen getroffen, die einen auf hip machen, aber eigentlich die letzten Idioten sind. Und ein bisschen so war die Figur angelegt. Manchmal trifft man ja auch Leute von früher: Und was machst du heute so? Ach, du verkaufst jetzt Immobilien… Ach, du bist jetzt Finanzberater…
Das Essen spielt in „Soul Kitchen“ eine wichtige Rolle: Schon gleich in der ersten Szene fragt man sich, ob Zinos da Reste wegwirft oder tatsächlich ans diesen ekligen Zutaten eine Mahlzeit kocht. Ist gutes Essen überschätzt?
Der Mainstream ist an gutem Essen scheinbar nicht interessiert. Adam hat ja früher in Ottensen das griechische Restaurant „Sotiris“ betrieben, da wollten die Leute auch immer nur den üblichen Schrott. Alle Verbesserungen wurden nicht angenommen. Das hat uns wirklich irritiert.
Für einen Regisseur ist Essen ein sinnliches Thema, interessieren Sie sich dafür?
Ja, ja, auf jeden Fall. Ich glaube, der Mensch braucht zum Existieren nichts anderes als Essen und Sex. Diese Form von Kommunikation in einen Film einzubauen ist sehr reizvoll: Sex ist visuell, und Essen ist visuell. Aber auch die Fernsehköche haben uns gereizt: Tim Mälzer, Jamie Oliver und wie sie alle heißen. Die kochen überall, doch keiner der Zuschauer kocht mit, die sehen das nur im Fernsehen. Das wollten wir auch ein bisschen durch den Kakao ziehen, mit einer Figur wie dem Koch, den Birol Ünel spielt.
In einer grandiosen Szene schält Ünel Fisch-Stäbchen aus ihrer Panade und zaubert mit ein paar Resten daraus ein 48-Euro-Gericht. Womit wir beim großartigen, temporeichen Humor des Films wären. Was bringt Fatih Akin zum Lachen?
Das meisten Komödien, die in Deutschland produziert werden, finde ich nicht witzig. Die Masse der Zuschauer allerdings schon, das ist wohl wie mit dem Essen. Ich will jetzt nicht sagen, dass mein Humor qualifizierter ist, aber was mich zum Lachen bringt, sind Leute wie Woody Allen. Urkomisch finde ich auch das Trockene, betont Coole von Jim Jarmusch. Die Coen-Brüder, Billy Wilder – ich mag den jüdischen Humor, der aus Amerika kommt.
Also vor allem die sicheren Sachen…?
Nein, ich mag auch Klamauk: Adriano Celentano, Louis De Funes und Bud Spencer, vor allem die deutschen Synchronisationen davon, damit bin ich aufgewachsen. Das hat mich zum Lachen gebracht, meine Eltern und auch meine Freunde.
Mögen Sie auch Chaplin?
Das ist Elvis! Das ist der King, der King of Comedy. Bei einem von Aki Kaurismäki kuratierten Festival lief in einem Zirkuszelt eine restaurierte Fassung von „Goldrausch“, begleitet von einem Orchester aus Tallinn. Das war eins der schönsten Kinoerlebnisse, die ich je hatte.
In Ihren Filmen gab es schon immer komische Szenen, aber warum hat es so lange gedauert, bis Sie mit „Soul Kitchen“ Ihre erste richtige Komödie gedreht haben?
Ich hab mich nicht getraut. Jeder Film hat auch eine eigene Seele und sagt Bescheid, wenn die Zeit reif ist: „Gegen die Wand“ habe ich gemacht, als ich sehr wütend war. „Auf der anderen Seite“ entstand in einer sehr nachdenklichen Phase. Doch danach wollte ich einfach mal qualifizierten Quatsch machen. Ich hab all meine Filme gerne und von Herzen gemacht. Aber ich spürte auch, wie sehr ich Sklave meines Erfolges wurde. Seit „Gegen die Wand“ bediene ich einen internationalen Markt, „Soul Kitchen“ war da ein Risiko.
Weshalb?
Vielleicht weil es deutscher Humor ist? Ich habe mich schon gefragt: Wer lacht über so was außerhalb von Stade? Egal, ich wollte diesen Film machen!
Zum Glück. Bei den Filmfestspielen in Venedig hat „Soul Kitchen“ den „Spezialpreis der Jury“ gewonnen.
Was mich sehr erleichtert hat. Ich hatte immer gehofft, dass das so ausgeht, aber wissen kann man das vorher nicht.
Es hat eine große Selbstverständlichkeit, wie in diesem Film Griechen, Deutsche und andere Menschen aus Einwandererfamilien ihr Leben meistern. Was zählt, ist die Tatsache, dass man miteinander auskommen muss.
Ich glaube, diese Figuren sind so international, weil sie so lokal sind. Es gibt doch diesen Spruch:
The more local, the more international. Das stimmt. Wenn ich einen chinesischen Film sehe, dann möchte ich ja etwas erfahren über China. Wenn das austauschbar ist, finde ich es uninteressant. Und letztendlich ist „Soul Kitchen“ auch ein sehr deutscher Film.
Die durchweg tollen Schauspieler haben auch viel dazu beigetragen. Das sind keine Knallchargen, sondern komplexe Charaktere mit eigenen Geschichten. Wie funktioniert bei Ihren Produktionen das Casting?
Vieles ist intuitiv. In diesem Fall war klar, dass Adam Bousdoukos im Mittelpunkt steht: Er hatte selber ein Restaurant, wir haben das Drehbuch zusammen geschrieben, und ich wollte seit „Kurz und Schmerzlos“ wieder mit ihm als Hauptdarsteller arbeiten. Mit Birol Ünel war es genauso. Seit „Gegen die Wand“ wollte ich wieder etwas mit ihm machen.
Ünel ist auch dieses Mal wieder toll.
Ja, ich bin ein Fan von Birol, ich liebe den irgendwie. Ich habe diesmal sowieso nach dem Best-of-Prinzip gearbeitet: mit Adam, Birol und Moritz Bleibtreu, also all den wichtigen männlichen Schauspielern, die mich in meiner Karriere weitergebracht haben. Dazu kamen Leute, mit denen ich schon immer mal arbeiten wollte: Udo Kier zum Beispiel. Viele hat auch meine Frau Monique ausgesucht.
Bisher haben Sie nur von männlichen Darstellern gesprochen.
Die drei Frauenrollen zu schreiben und zu gewichten war schwieriger. Bei „Im Juli“ gab es auch drei tolle Frauen, aber damals entstand ein Vakuum, das viele Zuschauer sagen ließ: Warum geht er denn jetzt mit der Juli mit, wieso kommt er nicht mit der Türkin zusammen? Das sollte diesmal klarer sein. Und ich wollte die Zuschauerinnen nicht mit bestimmten Charakteren und Darstellerinnen provozieren: Wenn du Megan Fox als Schauspielerin hast, entwickeln viele Frauen so eine Stutenbissigkeit – was ich verstehen kann.
Ach. wirklich?
Das hat meine Frau mir beigebracht. Die hat gesagt: Ey Mann, das ist ein Männer-Ding. Frauen wollen sich mit Frauen identifizieren können, im günstigsten Fall. Also habe ich zum Beispiel Catrin Striebeck besetzt. Die hätte ich am liebsten in jedem Film dabei.
Monica Bleibtreu hat in „Soul Kitchen“ ihre letzte Rolle gespielt.
Wir wussten, dass sie krank ist, aber nicht, wie schlimm es wirklich war. Es gab ein Problem mit dem Drehbuch, deshalb mussten wir die Szene mit ihr noch mal drehen. Doch wegen ihrer Verpflichtungen bei „Tannöd“ hieß es, ich muss mir eine andere Schauspielerin suchen. Da habe ich gesagt, ich bestehe darauf, das mit Monica zu machen, und wenn ich nächstes Jahr im März noch drehe – ist mir scheißegal. Und dann hat es doch noch geklappt.
Ist es wahr, dass Sie ursprünglich mit Adam Bousdoukos einen Western drehen wollten?
Einmal saßen wir im „Sotiris“ und überlegten, was wir machen könnten. „Lass uns einen Piratenfilm drehen, mit modernen Piraten“, meinte Adam. Ich sagte, es sei viel zu teuer, auf dem Meer zu drehen. Dann kamen wir auf die Idee, einen Western zu machen, über einen griechischen Auswanderer, der in den Zwanzigern spielt. Jemand, der eine Odyssee hinter sich hat, von der Türkei nach Griechenland und bis nach New Mexico. Wir sind nach New Mexico geflogen, haben ein Auto gemietet und sind dann drei Wochen dort herumgefahren. Am Ende sagte ich zu Adam: Das wird nichts. Das kriege ich mit dir in der Hauptrolle nicht finanziert, ich brauche mindestens 15 bis 20 Millionen Dollar. Dann war er ganz traurig und ich auch. Und nun? Lass uns nach Hamburg zurückfliegen und „Soul Kitchen“ drehen. Und das haben wir dann auch gemacht.