michelle, ma belle, du bist es: Alle starren bei DESTINY’S CHILD auf Beyoncé Knowles. Wir nicht
Ein Unterschied zwischen alter Soulmusik und Destiny’s Child (also, wie immer man es nennt, moderner Soulmusik) ist, dass die Songs der letzteren keine Vorstellung von Intimität zulassen. Bei „You Can’t Hurry Love“ von Diana Ross und den Supremes zum Beispiel bedeutete „you“ auf jeden Fall „du“. Bei Destiny’s Child muss es immer „ihr“ heißen. Wo sie auftreten, braucht es Platz für den Brezelmann und den Programmheftmann, und es muss genug Abstand zwischen Bühne und Publikum sein, damit niemand aus Versehen in die Pyrotechnik fasst. Immerhin schaffen es so auch viele Leute, eine Karte zu bekommen. Ausverkauft ist das Konzert nicht.
An den Stellen, wo in personalisierter Werbepost umständlich der Name des Adressaten eingebaut ist, sagen die drei Sängerinnen von Destiny’s Child immer „Hamburg, Germany“. Den Witz, einmal eine andere Stadt zu nennen, machen sie nicht, aber sie spielen das Spiel mit den Publikumshälften, die gegeneinander singen müssen. Sie hätten es mal mit einer Abstimmung versuchen sollen, dem Applaus-o-meter und der Frage, welches Gruppenmitglied am beliebtesten ist. Beyoncé Knowles hätte gewonnen. Sie hat die höchsten Bildanteile auf den drei Videowänden im Hintergrund, die einem die selektive Wahrnehmung erleichtern, wenn auf der Bühne zu viel passiert (Destiny’s Child, die Live-Band, die Tanzgruppe, die Szenen aus „West Side Story“ nachzustellen scheint). Alle drei singen ein Solo-Stück, aber nur bei Beyoncé starten dabei zwei Rauchraketen. Und weil sie im neuen „Austin Powers“ mitspielt, darf sie zusätzlich den Titelsong präsentieren, der wie ein altes Prince-Stück klingt und sehr gut ist.
Angeblich steckt ja hinter allem Beyonces Vater, der den Börsenwert nach oben treiben will für die nächste, unbefleckte Whitney Houston. Aber nicht Beyoncé, nicht Kelly Rowland, sondern Michelle Williams hat neulich das erste Destiny-Solo-Album gemacht, eine Gospel-Platte. Sie, die mit den glatten Haaren, ist als letzte dazugekommen, von Herrn Knowles für eine Querulantin eingewechselt. Sie muss immer als letzte die Showtreppe herunterlaufen und trägt (unglaublich, aber wahr) Glanzkleider, die ein Stück mehr Bauch bedecken als bei den anderen beiden. Aber Michelle verströmt Gelassenheit, wenn die anderen wie im Fitness-Center schuften, und hat die charakteristischste Stimme, etwas quäkig und mädchenhaft. Man kann den Blickfokus auf sie richten, bis zum „Survivor“-Finale dieser großen Show, wenn die Kamera Beyoncé zwischen die Schenkel geht. Man kann sich einbilden, das man der einzige ist. Das ist intim.