Michael Kiwanuka – Angekommen im Jetzt
Michael Kiwanuka ist das größte Versprechen des britischen Soul. Man vergleicht ihn schon mit Otis Redding - er sieht das entspannt.
Michael Kiwanuka muss inzwischen nur noch selten erklären, wie sein Name ausgesprochen wird. Nach Auftritten im Vorprogramm von Adele im Frühjar 2011 hörte man oft, „dieser Kawanuki“ sei recht gut gewesen. Als der Sänger dann später mit Laura Marling auftrat, hatten sich viele schon zu der Formulierung „dieser Kiwa-Dingsda“ vorgearbeitet. Doch erst seit Dezember, als er überraschend auf Platz eins der „Sound of 2012“-Lis-te der BBC landete, kann Michael Kiwanuka lächelnd verkünden: „Dass Leute nach meinem Namen fragen, kommt kaum noch vor.“
Trotz des exotischen Namens, der seine Wurzeln in Uganda hat, dürfte kaum einer, der sie einmal gehört hat, Probleme damit haben, sich an die Stimme des 23-Jährigen zu erinnern. Denn die vergisst man nicht so leicht. Ein melancholisches, tiefes Brummen – soulful, kraftvoll, durch Mark, Bein und zu Herzen gehend. Es wundert nicht, dass der Sänger seine musikalische Epiphanie mit dem Otis-Redding-Klassiker „Sitting On The Dock Of The Bay“ hatte, den er auf der CD-Beilage eines Magazins entdeckte. „Da klang so viel Seele aus seiner Stimme“, sagt Kiwanuka, „ich erstarrte regelrecht. Und gleichzeitig weckte es meinen Ehrgeiz. Ich wollte, dass meine Stimme genau diesen Effekt hat.“
Michael Kiwanuka sagt das mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre jedem sein stimmlicher Ausdruck vergönnt, wenn er sich nur genug ins Zeug legte. „Ich habe viel geübt und meine Stimme wie ein Instrument geschult. Als ich mit 15 mit meinen Freunden im Chor sang, habe ich mich immer zurückgehalten, weil ich nicht auffallen oder mich in den Vordergrund drängen wollte.“ Dazu passt auch die nächste Station seiner Musikerlaufbahn: Kiwanuka verdingte sich eine Weile als Sessiongitarrist für britische R&B-Sänger. „Das war eine gute Übung, aber nicht wirklich erfüllend. Ich fing an, nebenher an eigenen Songs und Demos zu arbeiten. So kam es dann zu ersten Auftritten. Erst als ich von allen Seiten Zuspruch bekam, dachte ich, das könnte was werden mit mir.“
So bescheiden kann man es also auch zum heiß gehandelten Newcomer schaffen. Auf den aktuellen buzz angesprochen, sagt er: „Man muss ja all die großen Worte nicht glauben. Natürlich ehrt es mich, mit Otis Redding und Bill Withers verglichen zu werden. Das sind ganz Große, meine Idole, die Leute, die mich unter anderem zur Musik brachten. Aber mal ehrlich: Ich habe gerade mein erstes Album vor mir. Diese Vergleiche wären anmaßend, wenn ich sie glauben und unterschreiben würde.“
Ein Gespräch mit Michael Kiwanuka hat einen ähnlichen Effekt wie seine Musik: In Songs wie dem folkigen, mit Flöten ornamenierten „I’ll Get Along“ oder dem fast spirtuellen „I’m Getting Ready“ erzählt er mit dezenter Unterstützung eines Gospelchors von seiner Bereitschaft zu glauben. An sich. An Gott. An die Welt. Diese Stücke entfalten eine meditative Wirkung; weil man förmlich spürt, wie die Welt für drei bis vier Minuten einen Gang zurückschaltet, bis man wieder freier atmen, klarer sehen kann – in Töne gegossene Kontemplation.
Eine Wirkung übrigens, der sich auch Kiwanuka selbst nicht entziehen kann. Das gilt vor allem für „Home Again“, seinen ersten Hit: „Der Song hat mir viele Türen geöffnet. Es ist schön, inmitten all der Hektik dieses Lied zu spielen, es erdet mich. Man sagt ja ‚Home is where the heart is‘, bei mir müsste es anders heißen: Wenn ich diesen Song spiele, habe ich oft das Gefühl, dass jeder im Raum denkt: ‚Genau hier, genau jetzt bin ich angekommen.'“
Michael Kiwanuka sagt das ohne einen Hauch von Anmaßung, eher verwundert darüber, dass seine Musik das zu haben scheint, was ihn bei anderen stets elektrisierte: Soul. Und wenn er das selbst nicht unterschreiben will, dann tun wir es eben.