Mia: „Was es ist“
Wie immer, wenn Deutsche nach ihrer Identität suchen, endet alles im Missverständnis. Dieses Mal meldeten sich Bands zu Wort, die sich zuvor eher als unpolitisch bezeichneten, und kochten eine längst verdorbene Suppe wieder auf. Besonders bei Fans und Kritikern der Jungsband Virginia Jetzt! führte das zu erheblicher geistiger Diarrhöe. In ihrem Song „Liebeslieder“ hatten sie mit Berufung auf ein Interview mit Blumfelds Jochen Distelmeyer eine Stelle aus Randy Newmans „My Country“ zitiert und waren daraufhin mit dem Rezensenten eines Anzeigenblattes aneinandergerasselt, der den Song mit Peter Heppners und Paul van Dykes Trümmerfrauenhymne „Wir sind wir“ in eine deutschnationale Ecke stellte. Zeit für Gegendarstellungen. Blumfeld zuerst, dann Virginia Jetzt!: „In Liebeslieder geht es um Sprache als Kommunikationsmittel… um die Möglichkeiten und Grenzen dieser von uns allen benutzten Kulturtechnik.“ Die Band hatte zumindest ihre Grenzen längst überschritten. Wie übel diese nationale Suppe roch, merkte man bei einem Konzert der Gruppe Mia vor Berliner Studenten, die die Band mit faulen Eiern von der Bühne trieben, nachdem sie mit ihrer Single „Was es ist“ in schwarz-rot-gelber Garderobe Nationalismus zum Lifestyle erklärt hatte. Natürlich war Mia-Sängerin Mieze in Anlehnung an Heines „Nachtgedanken“ „um den Schlaf gebracht“, wenn sie an Deutschland dachte (Heinrich allerdings ging’s bei diesen Zeilen nicht ums Vaterland, sondern um Muttern, die er vermisste). Ob es das war, was 2raumwohnung-Sängerin Inga Humpe mit dem „geistigen Erbe“ meinte, das sie durch eine Radioquote für deutsche Musik schützen wollte? Auch Altvordere, die sich vor Jahren noch gegen eine Quotierung von Zuwanderung ausgesprochen hatten, machten sich plötzlich Sorgen um die Deutsch-Pop-Parallelgesellschaft und drängten auf staatliche Regulierung mittels haltloser Zahlenspielchen. Hier gilt, was die tollen Erdmöbel mal sangen: „Zu deutsch für Rock und Roll.“