Metal-Szene in Syrien: „Wir gelten als satanischer Virus“
Im Interview berichtet der syrische Musiker und Produzent Bashar Haroun mit welchen Vorurteilen Metalfans in seinem Land konfrontiert sind, wie er illegale Konzerte veranstaltet und davon, dass ihm die Liebe zur Musik sogar schon ins Gefängnis brachte.
Bashar Haroun ist Sänger, Produzent, Konzertveranstalter und einer der Pioniere der syrischen Metal-Szene. Trotz Restriktionen und dem andauernden Bürgerkrieg, kämpft er seit Jahren darum, seine Subkultur am Leben zu halten. Über die Krise in seinem Land möchte der 28-Jährige ausdrücklich nicht sprechen, da er weder Konfliktparteien noch Rebellengruppen unterstützen möchte. Im Interview berichtet Bashar Haroun mit welchen Vorurteilen Metalfans in Syrien konfrontiert sind, wie er illegale Konzerte veranstaltet und davon, dass ihm die Liebe zur Musik sogar schon ins Gefängnis brachte.
Woher rührt deine Leidenschaft für Metal?
Verfallen bin ich der Musik im Jahr 1998, als ich zum ersten Mal „ReLoad“ von Metallica hörte. Ich lebe für Metal, weil es tiefgründig und wahrhaftig ist, und weil es nicht darum geht „cool“ zu sein. Jeder kann Metalhead werden – Herkunft, Glauben und Geld spielen dabei keine Rolle. Für mich ist es nicht nur Musik, sondern eine Lebensphilosophie. Da steckt viel Wut drin, aber auch Freiheitsdrang.
Wann hast du angefangen selbst zu spielen?
Ein Jahr nachdem ich Metallica entdeckt habe, fing ich an Gitarre zu spielen, damals noch auf einem sehr billigen Modell aus Russland. Im Jahr 2004 habe ich mein eigenes Studio namens „U.Ground Studio“ gegründet. Dort war ich ständig von Instrumenten und Musikern umgeben und habe die Techniken nebenbei aufgeschnappt. Trotzdem bin ich mit Leib und Seele Death-Metal-Sänger, das ist einfach das, was ich am besten kann.
Hattest du in der Schule Freunde, mit denen du deine Leidenschaft für Metal teilen konntest?
Nein, es war sehr schwer jemanden zu finden, mit dem ich meine Interessen teilen konnte. Ich war der einzige Metalhead in der ganzen Nachbarschaft! Trotzdem habe ich nach und nach Leute gefunden, mit denen ich eine Metal-Community in Syrien aufbauen konnte.
Wie würdest du die Metal-Szene heute beschreiben? Wo sind die “Hotspots” in Syrien?
Zuerst einmal muss man sagen, dass die Szene viel lebendiger ist als viele vermuten, vor allem in Aleppo, Damaskus und Latakia. Sie würde sich auch noch viel weiter ausbreiten, wenn die Gesellschaft nicht so intolerant wäre und uns die Polizei nicht immer im Weg stehen würde.
Schreibst du auch eigene Songs?
Klar! Die Texte hängen aber immer davon ab, für welche von meinen Bands ich sie schreibe. Für meine Rockband The Orchid schreibe ich eher emotionale Texte und für meine Band Orion, mit der ich melodischen Death Metal spiele, schreibe ich über die Krise in Syrien.
Warum möchtest du nicht über den Bürgerkrieg in deinem Heimatland sprechen?
Ich will nicht, dass man mich mit diesem verdammten Bürgerkrieg in Verbindung bringt, an dem ich auf keiner Seite aktiv beteiligt bin.
Dann zu einem anderen Thema: Wie schwierig ist es in Syrien Konzerte zu veranstalten? Wie muss man sich das vorstellen?
Ich muss für jedes Konzert eine neue Location finden, und manchmal ist es auch nur eine kleine Bar oder ein Café. Im besten Fall miete ich eine Konzerthalle oder einen Club für bis zu 750 Leute. Es macht mich dann stolz diese 750 „Krieger“ zu sehen, die keine Angst haben ein Konzert zu besuchen, das eigentlich verboten ist. Es ist schon sehr riskant, weil man nie weiß, wann die Polizei kommt und es an der Zeit ist abzuhauen.
Gibt es auch „Kriegerinnen“ auf diesen Konzerten?
Ja, es gibt viele mutige Frauen in der Metal-Szene, die sich über Traditionen hinwegsetzen – und ich weiß, dass das für sie sehr viel schwieriger ist als für Männer. Ich habe in Aleppo und Latakia auch schon Metal-Bands im Tonstudio gehabt, bei denen Musikerinnen dabei waren und ich bin mit einigen von ihnen befreundet.
Was sind deine Lieblings-Metal-Bands?
Mein Herz schlägt für Death Metal, vor allem für Bands wie Hypocrisy, Death, Grave und Morbid Angel. Die wichtigste syrische Band ist derzeit The Hourglass.
Welche Vorurteile gegenüber Metalheads gibt es eigentlich in Syrien?
Leute denken, dass wir wirklich gefährlich seien. Als Metalhead ist man in Syrien so etwas wie ein „satanischer Virus“. Die Polizei ist ständig hinter uns her.
Hast du jemals ernsthafte Schwierigkeiten bekommen?
Ich muss immer damit rechnen, verhaftet zu werden, weil mir die Polizei unaufhörlich auf den Fersen ist. Im April 2008 wurde ich vor den Augen der gesamten Nachbarschaft festgenommen und verbrachte daraufhin zwanzig Tage in fünf verschiedenen Gefängnissen. Dort behandelten sie mich wie einen Schwerverbrecher. In meinem Heimatort verbreiteten sich indessen Gerüchte. Die Leute erzählten sich, ich sei ein Sexualstraftäter, hätte etwas mit Drogen zu tun oder sei der Anführer einer satanischen Bewegung. Am Ende ließen sie mich laufen, sagten mir aber, ich solle mich nicht zu sicher fühlen, denn sie würden wiederkommen.
Fiel es dir jemals schwer der Szene die Treue zu halten?
Nach meiner Verhaftung glaubten damals leider auch viele Metalheads den Gerüchten, was besonders hart für mich war. Da habe ich tatsächlich einmal versucht, mich von der Musik fernzuhalten. Natürlich hat das nicht funktioniert. Die Metal-Szene ist nun mal der Ort, wo ich hingehöre, und auch wenn ich manchmal verzweifelt bin, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die Gesellschaft unserer Musik gegenüber irgendwann toleranter wird.
Wie hat sich die Metal-Szene in den letzten zwei Jahren, seit Beginn de Kriegs, verändert?
Es hat sich viel verändert. Seit Beginn der Krise haben die Menschen einfach andere Sorgen als sich ständig Gedanken über uns Metalheads zu machen. In Anbetracht des Leids den der Bürgerkrieg gebracht hat, wirkt es aber auch für viele Anhänger der Musik nicht mehr so furchteinflößend, eventuell verhaftet zu werden. Außerdem hat sich die Szene von Aleppo nach Latakia verlagert, seit ich umgezogen bin und die Konzerte nun hier veranstalte.
Das Interesse an der Musik hat also trotz des Bürgerkrieges nicht nachgelassen?
Nicht im Geringsten. Gerade die Philosophie von Metal passt so gut in die Zeit. Musik ist für viele der einzige Lichtblick – eine Möglichkeit der grauenhaften Realität zu entfliehen.
Was wünschst du dir für dich und die Metal-Szene in Syrien?
Ich hoffe, dass ich es schaffe, meinen Namen in die Bibel der syrischen Metal-Pioniere einzuritzen, damit die nächste Generation erfährt, welche Kämpfe ich für sie ausgefochten habe. Außerdem wünsche ich mir für nachfolgende Generationen, dass sie ihre Musik in einer friedlichen Umgebung spielen können, keine Angst mehr vor Verhaftungen haben müssen und es einige von ihnen schaffen, mit internationalen Musikern zu konkurrieren.